Cushing Syndrom: Jedes vierte Pferd über 15 Jahren leidet darunter
Im Blog geht es oft um junge Pferde und deren Ausbildung und Wachstum, aber eigentlich viel zu selten um die alten Hasen, unsere Verlasspferde. Bestimmt haben einige von euch noch das Pony, mit dem sie damals die ersten Turniere bestritten haben. Wir sollten uns öfter die Frage stellen, wie wir diesen Pferden, die uns so viel beigebracht haben, ihren wohlverdienten Ruhestand so angenehm wie nur möglich gestalten können. Daher möchte ich in diesem Artikel einige Fakten über eine Krankheit bereitstellen, von der immer mehr Pferde betroffen sind: das Cushing Syndrom.
Table des matières
1. Was ist das Cushing Syndrom?
Beim Cushing Syndrom handelt es sich um eine Hormonstörung, d. h. die Funktion eines für die Regelung des Hormonhaushalts verantwortlichen Organs ist gestört. In diesem Fall ist die Hypophyse (Hirnanhangdrüse) betroffen. Das Cushing Syndrom ist eine degenerative Erkrankung, deren Entwicklung schleichend verläuft.
Diese Erkrankung tritt bei älteren Pferden immer häufiger auf. Das liegt daran, dass sich die gesundheitliche Versorgung in den letzten 25 Jahre enorm verbessert hat und das nicht nur bei uns Menschen, sondern auch bei unseren Vierbeinern. Daher erreichen unsere Pferde, genau wie wir auch, ein immer höheres Alter. Somit ist auch das Cushing Syndrom immer häufiger.
In der Regel tritt Cushing bei Pferden im Alter von 15 bis 20 Jahren auf, dennoch sind in vereinzelten Fällen auch jüngere Pferde im Alter von 7 bis 10 Jahren betroffen. Epidemiologische Studien, die in verschiedenen Ländern durchgeführt wurden, zeigen: 25–30 % der Pferde über 15 Jahren leiden am Cushing Syndrom. Das ist eine ganze Menge!
2. Wie kommt es zum Cushing Syndrom?
An dieser Stelle kommt zum besseren Verständnis etwas Biologie ins Spiel.
Das Cushing Syndrom ist beim Hund wesentlich bekannter als beim Pferd. Beim Hund ist allerdings ein anderer Teil der Hypophyse betroffen, nämlich die pars distalis. Dementsprechend unterscheidet sich auch das Krankheitsbild. Daher findet der Term „equines Cushing Syndrom” zunehmend Verwendung, um die Erkrankung klar abzugrenzen.
3. Was gibt es für Anzeichen?
Diese Erkrankung zeigt sich an einer Vielzahl von Symptomen. In der Regel ist sie auch für den durchschnittlichen Pferdebesitzer relativ einfach festzustellen und das auch ohne Stethoskop oder Blutabnahme. Auf folgende Anzeichen sollte man achten:
Hirsutismus
Das Fell deines Pferdes ist unabhängig von der Jahreszeit lang, zottelig und gewellt und erinnert an das Fell eines Poitou-Esels. Der Fellwechsel findet zu spät statt, wird nicht abgeschlossen oder das Fell verliert seine Farbe.
Diese Symptome treten bei 77-100 % der an Cushing erkrankten Pferde auf [Frank et al. 2006]. Außerdem gibt es keine andere Erkrankung, die beim Pferd diese Symptome hervorruft (außer einer Unterernährung, die in unseren Breitengraden jedoch eher selten vorkommt). Sollte das Fell deines Pferdes also wie beschrieben aussehen, dann kannst zu 90 % davon ausgehen, dass es unter dem Cushing Syndrom leidet [Frank et al. 2006].
Du kennst Chewbacca aus Star Wars? Voilà!
Hyperhidrose
Hyperhidrose bedeutet soviel wie „übermäßiges Schwitzen”. Ursache dafür ist auch der gestörte Fellwechsel. Aber selbst nach einer Schur schwitzt das Pferd weiterhin übermäßig, man geht daher von einem beschleunigten Metabolismus aus.
Hufrehe
Hufrehe wurde laut der Studie bei 24–82 % der von Cushing betroffenen Pferde festgestellt [Tamzali 2012]. Das Schwierige dabei ist, dass die Schmerzempfindlichkeit des Pferdes durch die vermehrte Ausschüttung von Beta-Endorphinen verringert ist, weshalb die Symptome der Hufrehe oft lange Zeit unbemerkt bleiben. Dieses Hormon ist ein natürliches Analgetikum und sorgt teilweise sogar für Glücksgefühle. Vielleicht hast du im Zusammenhang mit Sport schonmal von diesem „Glückshormon” gehört. Studien zufolge ist die Ursache einer chronischen Hufrehe zu 80–90 % eine Hormonstörung. [Ireland et al. 2012] [Karikoski et al. 2011]
Polyurie & Polydipsie
Nein, das sind keine nahen Verwandten der Teletubbies. Diese Begriffe bedeuten, dass das Pferd Durst hat, viel trinkt und folglich viel uriniert. Dieses Symptom ist bei 30 % der an Cushing erkrankten Pferden zu beobachten. Allerdings ist es oft schwer, dies objektiv zu beurteilen, denn wer weiß schon exakt, wie viele Liter sein Pferd wirklich jeden Tag trinkt?
Lethargie
Dein Pferd wirkt traurig, müde und abgeschlagen. ☹️
Abmagerung und Abbau der Muskulatur
Davon ist vor allem die Rückenmuskulatur betroffen. Oft wird er mit einem altersbedingten Muskelabbau verwechselt. Auch die Spannkraft der Bauchdecke nimmt oft ab, dabei entsteht oft der sog. Topfbauch.
Fettdepots
In 15 bis 30 % der Fälle treten im Bereich der Augengrube, des Mähnenkamms, des Damms oder unter dem Schweif vermehrt Fettandepots auf.
Häufige Infektionen
Dein Pferd ist anfälliger für Infektionen der Haut, der Zähne, der Nebenhöhlen, Hufabszesse und Lungenentzündungen. Oftmals bleiben diese Infektionen unbemerkt, da das Schmerzempfinden des Pferdes abnimmt und sein Immunsystem ebenfalls beeinträchtigt ist. Die klinischen Symptome können daher weniger ausgeprägt sein. Außerdem kommt es häufiger zu Parasitenbefällen.
Unfruchtbarkeit
Der Zyklus betroffener Stuten kann sich verändern, bis hin zu einer verringerten Fruchtbarkeit.
Behalte im Kopf, dass das Auftreten des Hirsutismus oder 3 anderer der hier genannten Symptomen definitiv ernst genommen werden sollten.
4. Wie kann ich sicher sein, dass es sich um Cushing handelt?
Sollte auch nur der kleinste Zweifel bestehen, solltest du deinen Tierarzt zurate ziehen, er wird eine Diagnose stellen können. Der Großteil der Diagnose ist klinisch, d. h. der Tierarzt wird das Pferd von Kopf bis Fuß untersuchen. Anschließend kann eine passende Behandlung eingeleitet werden. Bei routinemäßigen Blutuntersuchungen bleiben die Anzeichen des Cushing oft unbemerkt. Es gibt allerdings einige spezielle Bluttests, mit deren Hilfe eine klare Diagnose gestellt werden kann, falls noch Zweifel bestehen sollten.
5. Wie kann ich meinem Pferd helfen?
Wurde die Diagnose bestätigt, wird dein Tierarzt vielleicht eine Behandlung mit Pergolid-Mesilat, z. B. Prascend, vorschlagen. Die Dosis wird je nach Reaktion auf das Medikament angepasst. Daher solltest du dein Pferd in diesem Zeitraum gut beobachten und mit deinem Tierarzt in Kontakt bleiben. Die ersten Verbesserungen zeigen sich in der Regel bereits innerhalb von 4 bis 6 Wochen. Manchmal traut man seinen Augen kaum: Das Pferd wird wieder fit wie ein Turnschuh! In 75 % der Fälle tritt eine Besserung der klinischen Symptome auf. Daher ist es auf jeden Fall einen Versuch Wert, vor allem, weil normalerweise kaum Nebenwirkungen auftreten. Die häufigste (bei 1 von 3 Pferden) ist Anorexie (Appetitverlust und somit geringe Nahrungsaufnahme). Aber keine Sorge, das ist normalerweise nur vorübergehend.
Soviel zur medikamentösen Behandlung. Aber man kann seinem Pferd mit ein paar einfachen Tricks das Leben viel angenehmer machen. Vergiss nicht: Dein Pferd ist wesentlich sensibler als andere, daher darfst du es ruhig ein wenig verwöhnen.
💡 Hier einige Tipps:
- Entwurme häufiger (3-4 Mal pro Jahr): plane die Entwurmung mit deinem Tierarzt.
- Impfe es 2 statt 1 Mal pro Jahr
- Biete ihm ein hygienisches und bequemes Umfeld: eine saubere Box, sauberes Zubehör, Komfort etc.
- Sorge für eine gute, ausgewogene Ernährung.
- Pflege seine Hufe. Lasse den Hufschmied regelmäßig kommen und lass dein Pferd wenn nötig beschlagen. Der Entstehung von Abszessen soll so gut es geht vorgebeugt werden.
- Schere es, falls es an Hirsutismus leidet.
Mehr dazu: Sollte man sein Pferd scheren?
- Decke es ein, wenn ihm kalt ist.
- Lasse dein Pferd 2 Mal pro Jahr vom Zahnarzt untersuchen.
Allgemein gilt erhöhte Vorsicht. Messe seine Rektaltemperatur, achte auf sein Verhalten, ob seine Nüstern sauber sind und auf den Geruch, den es verströmt… Falls auch nur der kleinste Zweifel besteht: ab zum Tierarzt!
6. Kann mein Pferd geheilt werden?
Nein, es handelt sich um eine degenerative Erkrankung und sie wird dein Pferd daher leider bis ans Ende seines Lebens begleiten. Die gute Nachricht: Das Cushing Syndrom verläuft nur äußerst selten tödlich. Allerdings beeinträchtigt es die Lebensqualität des Pferdes. Manche Besitzer entscheiden sich, wenn wiederkehrende Infektionen auftreten oder wenn das Pferd wegen der Hufrehe starke Schmerzen hat, dazu, das Pferd einzuschläfern.
Ich hoffe, dieser Artikel war interessant für dich. Bis bald 🙂
Marine Slove
Tierärztin und Produktmanagerin
Quellen:
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V. Picandet, “La “maladie de Cushing” chez le cheval, dysfonctionnement de la pars intermedia de l’hypophyse”, Bull. Acad. Vét. France – Tome 166 – N°2, 2013
-
Frank, N., Andrews, F.M., Sommardahl, C.S., Eiler, H., Rohrbach, B.W., Donnell, R.L. 2006. “Evaluation of the combined dexamethasone suppression/thyrtropin-releasing hormone stimulation test for detection of pars intermedia pituitary adenomas in horses”. J Vet Intern Med 20 : 987–993.
-
Tamzali, Y. 2012. “Un cas de maladie de Cushing chez une jument mérens de 18 ans”. Prat Vét Equine 175: 37–43.
-
Ireland, J.L., Clegg, P.D., McGowan, C.M., McKane, S.A., Chandler, K.J., Pinchbeck, G.L. 2012. “Disease prevalence in geriatric horses in the United Kingdom: veterinary clinical assessment of 200 cases”. Equine Vet J 44(1):101–106.
-
Karikoski et al. “The prevalence of endocrinopathic laminitis among horses presented for laminitis at a first-opinion/referral equine hospital”. Domestic Animal Endocrinology ; 41 : 111-117
-
P. Doligez, « Le syndrome de Cushing », Equipaedia, 2014. [Online]. Verfügbar: Le syndrome de Cushing – Equipaedia [Letzter Zugriff: 2. März 2018].
-
“WAS IST CUSHING BEI PFERDEN?” [Online]. Verfügbar: https://www.cushing-hat-viele-gesichter.de/was-ist-cushing-.aspx. [Letzter Zugriff: 3. Mai 2018].
-
“Proopiomelanocortin.” [Online]. Verfügbar: http://flexikon
Oh man… Ein älterer Wallach (21j.), der bei uns steht, ist vom Erscheinungsbild her ein Cushing-Patient (langes Fell, vor allem wellig am Rücken und an den Beinen, hat sehr stark abgebaut, eigentlich keine Muskelmasse mehr, ist auch sehr mager geworden trotz Verdopplung der Spezialfuttermenge, neuerdings kommt Kotwasser und Durchfall dazu), Blutbild ar bis auf einen erhöhten Leberwert ok, aber die Besitzer (absolut null Pferdewissen) wollen die Kosten so gering wie möglich halten (obwohl sie es nicht bräuchten) und daher wird er nicht auf Cushing untersucht, die Tochter reitet ihn weiterhin ohne Rücksicht auf seinen Zustand. Im Sommer 2018, als er… Weiterlesen »
Hallo Sophie,
das hört sich in der Tat schlecht an! Versuche vielleicht, noch einmal ruhig mit dem Besitzer zu sprechen. Haben andere vielleicht eine Idee in solch einem Fall?
Toller Beitrag! Gerade erst über google gefunden
Danke 🙂