Leichttraben – Welcher Fuß ist der richtige?
Jeder unter uns, der jemals in einer Reitschule geritten ist, wurde wohl früher oder später mal dabei erwischt, wie er „auf dem falschen Fuß” leichtgetrabt ist. Aber wer hat diesen Fuß überhaupt für „falsch” erklärt? Ist diese Bezeichnung rein willkürlich? Oder ist das Ganze etwa wissenschaftlich fundiert?
Das ist tatsächlich eine sehr gute Frage: Welche Auswirkungen hat es auf Pferd und Reiter, auf dem falschen bzw. richtigen Fuß zu leichtzutraben?
Table des matières
Welcher ist der richtige Fuß beim Leichttraben?
Das hängt davon ab, wo man Reiten lernt! Im einen Reitstall lernt man, sich aus dem Sattel zu haben, wenn die innere, in einem anderen, wenn die äußere Schulter vorschwingt.
Leichttraben auf der äußeren Diagonale
Trabt man auf der äußeren Diagonale leicht, hebt man sich aus dem Sattel, wenn die äußere Schulter vorschwingt. Das ist die gängige und von der FN empfohlene Variante [4]. In Frankreich wird das ganze übrigens als „französisches Leichttraben” bezeichnet.
Leichttraben auf der inneren Diagonale
In diesem Fall hebt man sich aus dem Sattel, wenn die innere Schulter nach vorne schwingt. Auch wenn in Deutschland eigentlich offiziell auf der äußeren Diagonale leicht getrabt wird, nennt man diese Art des Leichttrabens in Frankreich (warum auch immer) Leichttraben „à l’allemande“, also deutsches Leichttraben.
Aber macht es überhaupt einen Unterschied, ob man auf der inneren oder äußeren Diagonale leichttrabt?
Falscher vs. richtiger Fuß 🧐
Traben auf der äußeren Diagonale – besseres Gleichgewicht
Laufen Pferde eine Biegung, neigen sie gerne mal dazu, sich in die Kurve hineinzulegen, um der Fliehkraft entgegenzuwirken.
Bei der Flieh- oder auch Zentrifugalkraft handelt es sich um dieselbe Kraft, die auf uns wirkt, wenn wir z. B. in einem Auto sitzen, das schnell in eine enge Kurve fährt: wir werden zur Seite „geworfen”. Aus diesem Grund legt das Pferd sich in die Kurve – ein bisschen wie ein Motorrad.
So cool das auch klingen mag – wir wollen nicht, dass unser Pferd sich wie ein Motorrad bewegt. Daher versuchen wir, dieser Reaktion des Pferdes entgegenzuwirken. Man sitzt ein, wenn die innere Schulter und das äußere Hinterbein vorschwingen. Dadurch wird letzteres belastet, was der Schieflage des Pferdes entgegenwirkt. Zudem wirkt man beim Einsitzen automatisch stärker auf das Pferd als beim Aufstehen aus dem Sattel.
Traben auf der inneren Diagonale – Aktivieren des inneren Hinterbeins
An dieser Stelle ein kurzer Exkurs in die Anatomie des Pferdes.
Die in der Abbildung grün dargestellten Muskeln gehören zur ventralen Kette.
Wie wir im Artikel rund ums Thema Bauch- und Rückenmuskulatur des Pferdes schon festgestellt haben, ermöglicht das Anspannen der Beuge- und vor allem der Bauchmuskeln die Aktivierung der Hinterhand [3].
Trabt der Reiter auf der inneren Diagonale leicht, dann sitzt er ein, wenn das innere Hinterbein vorschwingt. In diesem Moment kann er mit seinen Schenkelhilfen optimal auf die Bauchmuskulatur des Pferdes einwirken.
Tatsächlich spannen sich Muskeln an, wenn man sie berührt [3]. Das kann man ganz einfach ausprobieren: Piecks dazu einfach deinen Sitznachbarn in die Seite. Das Ergebnis ist eindeutig! 👉🙍♂️
Das Leichttraben auf der inneren Diagonale aktiviert also das innere Hinterbein.
Wir halten fest …
- Leichttraben auf der inneren Diagonale („falscher Fuß”) kann für eine bessere Aktivierung der Hinterhand sorgen.
- Leichttraben auf der äußeren Diagonale („richtiger Fuß”) verhindert, dass das Pferd auf die innere Schulter fällt.
Wenn dir also das nächste Mal jemand sagt, dass du auf dem falschen Fuß trabst, dann kannst du sagen: „Ich trabe ganz bewusst auf der inneren Diagonale leicht, um das innere Hinterbein zu aktivieren.” Touché! 🤓
Auswirkungen des Leichttrabens auf das Pferd
Hoch, runter, hoch, runter … Was bewirkt das Leichttraben eigentlich beim Pferd?
Beim Einsitzen wirkt mehr Kraft auf das Pferd
Beim Einsitzen wirkt mehr Kraft auf das Pferd als in der Phase, in der der Reiter sich aus dem Sattel habt [1]. Aber er wiegt doch immer gleich viel?
Die Grafik zeigt die Kraft, die während eines Trabschrittes auf den Pferderücken bzw. auf die Steigbügel wirken. Dabei wird zuerst die Phase gezeigt, während der der Reiter sich aus dem Sattel hebt, dann die, während der er im Sattel einsitzt. Die Kraft auf den Steigbügeln (rote Kurve) ist beim Aufstehen höher als beim Einsitzen.
Die Kraft, die auf den Rücken wirkt, kann auf zwei Methoden gemessen werden. Entweder mithilfe von Drucksensoren, die zwischen Satteldecke und Sattel angebracht werden (orangene Kurve) oder durch die subjektive Wahrnehmung des Reiters seiner Bewegungen (gelbe Kurve). Beide Methoden zeigen eindeutig, dass der Pferderücken während des Einsitzens stärker belastet wird.
Das liegt daran, dass Hüfte, Knie und Fußgelenke des Reiters beim Aufstehen aus dem Sattel wie eine Art Stoßdämpfer wirken. Daher ist es beim Leichttraben so wichtig, sich locker zu machen und mit den Bewegungen des Pferdes mitzugehen.
Und beim Aussitzen?
Beim Aussitzen wirkt noch mehr Kraft auf den Rücken des Pferdes als in der Phase des Einsitzens beim Leichttraben [1].
Vereinfacht gesagt „werfen” die Bewegungen des Pferdes den Reiter im Trab aus dem Sattel. Das Ziel ist es, dem entgegenzuwirken und im Sattel sitzen zu bleiben, ohne unsanft auf und ab zu hüpfen. Beim Leichttraben nimmt man den natürlichen Schwung mit und nutzt ihn, um sich mithilfe der Steigbügel aus dem Sattel zu heben. Beim Aussitzen hingegen ruht das Gewicht durchgehend im Sattel. Der Pferderücken wird dabei stärker beansprucht als in der Phase des Einsitzens in den Sattel beim Leichttraben.
Mehr dazu: Aussitzen leicht gemacht
Daher sollte man beim Abreiten erst einmal mit dem Leichttraben beginnen, bevor man zum Aussitzen übergeht. Wie sich die Bewegungsabläufe deines Pferdes während des Warmreitens und des darauffolgendes Trainings verändern, kannst du ganz einfach mithilfe des Equisense Motion Sensors verfolgen.
Weiterlesen: 4 Tipps für das perfekte Abreiten
Fazit
Der „falsche Fuß” ist nicht per se falsch, denn je nach Situation kann es durchaus sinnvoll sein, auf der inneren Diagonale leichtzutraben. Außerdem sollte man vor allem beim Ausreiten ruhig ab und zu mal umsitzen. Die natürliche Schiefe des Pferdes kann nämlich dazu führen, dass wir immer auf dem selben Fuß traben, wenn wir nicht darauf achten [4].
Camille Saute & Alice Martinez
R&D Managerinnen bei Equisense
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