So klappt es mit dem Aussitzen im Trab
Die meisten Reiter lieben ihre Steigbügel doch fast genauso sehr wie ihr Pferd. Fällt das Wort „Aussitzen“ oder gar „Steigbügel überschlagen“, bricht Panik aus. Der eine Reitschüler versucht verzweifelt, sich mit seinen Knien am Sattel festzuklammern und bricht dabei den Weltrekord im Luftanhalten, der andere rutscht im Sattel herum oder klammert sich ans Riemchen: Das Aussitzen des Trabs bleibt für die meisten Reiter eine Tortur und ist mit Frustration verbunden.
Wir setzen uns jedoch regelmäßig neue Ziele und haben beschlossen, dass es endlich an der Zeit ist, das Aussitzen des Trabs zu beherrschen, ohne rot (oder blau in manchen Fällen) anzulaufen oder das Gefühl zu haben, dass die Oberschenkel jeden Moment in Flammen aufgehen.
Wir haben Bilder von Reitern im Kopf, die ihre Diagonalen im starken Trab reiten, ohne dabei im Sattel herumzurutschen und finden daher, dass es nun an der Zeit ist, die Sache anzugehen. Nur einige Sekunden später suchen wir verzweifelt mit unseren Füßen nach den Steigbügeln, die sich dazu entschieden haben, sonst wohin zu fliegen, ohne auf uns zu warten. Da müssen wir einsehen: Wir haben keine Ahnung, wie das Ganze eigentlich funktionieren soll…
Hier also einige einfache, aber effiziente Übungen, die dir dabei helfen, deinen Sitz zu verbessern, Spaß am Aussitzen zu finden und deinem Pferd nicht bei jedem Schritt in den Rücken zu plumpsen…
Table des matières
Hoppla…
Entschuldigung.
Ich weiß, dass du nun ein großes Lächeln auf den Backen hast und dich freust, endlich jemanden gefunden zu haben, der dich versteht und der dir dabei helfen wird, dich ohne große Anstrengung zu verbessern. Ich fühle mich fast schon schuldig, wenn ich daran denke, was noch auf dich zukommt.
Denn um das richtige Aussitzen des Trabs zu lernen, bedarf es harter Arbeit, viel Anstrengung und einem Trab ohne Steigbügel… Aber noch wichtiger dabei: du musst wissen, wo, wann und wie du deine Ressourcen richtig zum Einsatz bringen musst.
Das Leichttraben
Guter Witz! Wir sprechen vom ausgesessenem Trab (das Aussitzen) und nun sollen wir leichttraben! Das Leichttraben ist jedoch ein idealer Ausgangspunkt, um deinen ausgesessenen Trab zu verbessern und dabei deine Erschöpfung zu minimieren und den Rücken deines Pferdes zu schonen. Umso besser, ich sehe, dass dein Lächeln zurückkommt!
Denk beim Leichttraben daran, deinen Bauchnabel stark nach vorne zu drücken.
Dein Bauchnabel sollte idealerweise deine Schultern überschreiten und der vorderste Punkt deines Körpers sein. Denk daran, ihn in Richtung der Ohren deines Pferdes auszurichten. Dies ist eine wichtige Übung, um an deiner Gelenkigkeit zu arbeiten und die verschiedenen Körperteile an die richtige Stelle zu rücken.
Meiner Meinung nach sollte das Leichttraben nicht als eine Auf- und Abwärtsbewegung gesehen werden, sondern als eine nach vorne gerichtete sitzende Position. Wenn du dir dem bewusst wirst, kannst du die mechanische Bewegung des Rückens deines Pferdes zu fühlen versuchen (später kannst du deine Fähigkeit, diese zu erfühlen, beim Leichttraben ohne Steigbügel auf die Probe stellen…). Achtung! Bevor du dich dem Aussitzen des Trabs zuwenden kannst, musst du zuvor in der Lage sein, beim Leichttraben ohne Anstrengung und Ermüdung zu reiten. Hier empfiehlt es sich auch mal eine Arbeitseinheit an der Longe zu absolvieren, um sich ganz auf die Bewegung des Pferdes konzentrieren zu können.
Das beste Mittel, um an deinem Gleichgewicht und deiner vertikalen Ausrichtung zu arbeiten, ist aufrecht in deinen Steigbügeln stehend zu traben. Ich betone aufrecht stehend und nicht schwebend, da deine Schultern beim Ausstrecken deiner Beine auf einer Linie mit deinen Fersen bleiben sollten. Achte dabei darauf, in den Knien und im Absatz die Bewegung abzufedern.
Versuche vorerst, diese Position im Schritt und dann im Trab zu halten, ohne in den Sattel zurückzufallen. Der Vorteil bei dieser Übung ist, dass es fast unmöglich ist, stehen zu bleiben, wenn nicht alle Körperteile auf einer Linie sind.
Mit dieser Übung trainierst du, dein Gleichgewicht trotz der Bewegungen deines Pferdes zu halten. Achte darauf, dich nicht an den Zügeln festzuhalten, wenn du das Gleichgewicht verlierst! Wenn du dich unsicher fühlst, kannst du in die Mähne oder an den Sattel greifen.
Sobald du dich gut und ausgeglichen in dieser Position fühlst und in der Lage bist, deinen Bauchnabel wie auf dem Bild nach vorne zu strecken, kannst du zwei bis drei Tritte im ausgesessenen Trab einwerfen.
Das Problem des ausgesessenen Trabs ist, dass der Reiter oft widerwillig ist. Er will seinen ausgesessenen Trab verbessern, hat dabei aber nur einen Gedanken: zum Leichttraben zurückzukehren!
Ein gutes Mittel, um diesem Problem und dem Risiko einer zu starken Anspannung vorzubeugen, ist es, den Fuß, auf dem du leicht trabst, häufig zu wechseln. Du kannst also einen Pakt mit dir selbst schließen: ich mache nur zwei Tritte im ausgesessenem Trab, aber dabei lasse ich mich richtig in den Sattel fallen, ohne mich zu versteifen.
Trabe also einige Schritte leicht (so viele, bis du dich wohlfühlst) und sitze dann zwei Schritte aus, um den Fuß, auf dem du trabst, zu wechseln. Mache immer so weiter, bis du in der Lage bist, ein oder zwei Runden jeweils zwei Schritte Leichttraben und Aussitzen abzuwechseln.
Steigbügel oder nicht, das ist die Frage
Einige Champions und Trainer üben immer wieder Kritik am Reiten ohne Steigbügel. Ich denke jedoch, dass dies sehr wichtig ist. Dabei müssen jedoch zwei Bedingungen zutreffen:
1) Es soll nicht grundsätzlich ohne Steigbügel geritten werden. Das Aussitzen soll zur Verbesserung des Reitens mit Steigbügeln führen. Diese Aussage scheint banal, aber wie häufig hast du schon festgestellt, dass du hilflos bist und dich verzweifelt festhältst, sobald dir jemand deine geliebten Steigbügel wegnimmt?
2) Die Arbeit ohne Steigbügel sollte von kurzer Dauer, aber regelmäßig sein. Du erweiterst somit jeden Tag ein wenig mehr deine Komfortzone und das ohne Schmerzen oder übermäßige Ermüdung, die nur dazu führen würden, dass du dich weiter versteifst und es gar nicht mehr ohne Steigbügel probieren möchtest.
Du kannst z.B. die letzten zehn Minuten jeder Trainingseinheit für die Arbeit ohne Steigbügel verwenden, wenn du dein Pferd bereits gut vorbereitet und gelöst hast.
Schritt 1: Die richtige Position der Beine
Die Mehrheit der Reiter verliert ihre Steigbügel, da sie die Knie zu weit anziehen und den Winkel zwischen den Schenkeln und dem Oberkörper zu sehr verengen. Dies führt dazu, dass ihr Schwerpunkt sich von dem des Pferdes entfernt und sie noch mehr aus dem Gleichgewicht geraten.
Unsere Priorität ist es also, unsere Beine lang und entspannt zu lassen.
Drücke dafür deine Fußspitzen so weit es geht nach unten, als wolltest du den Boden berühren… Immer weiter. Ich weiß, dass du das kannst!
Denke dabei an eine Ballerina auf ihren Zehenspitzen. Das Ziel ist es, die Knie so weit es geht unten zu lassen und dafür zu sorgen, dass deine Schenkel vertikal zum Boden stehen und auf einer Linie mit deinem Oberkörper sind. Reite einige Schritte in dieser Haltung.
Du verspürst ein Ziehen in deiner Beinmuskulatur? Dann machst du alles richtig!
Für die Übung des Springsitzes: Durch Sprünge zu mehr Muskeln
Schritt 2: Hex-hex, und alles ist am richtigen Platz
Hier kommt Magie ins Spiel: in dieser Position und OHNE EINE VERÄNDERUNG DEINER OBERSCHENKEL, beuge deine Knie leicht und ziehe deine Fußspitzen an, bis du die Position erreichst, die du mit deinen Steigbügeln hättest.
Bitte lächeln!
Strecke deine Beine erneut aus, drücke sie stark nach unten und wiederhole den Vorgang. Achte dabei darauf, deine Füße parallel zum Bauch deines Pferdes zu halten. Die Fotos sollten dir dabei eine Hilfe sein.
Schritt 3: Senkung des Schwerpunkts
Schritt drei ist der schwierigste Teil. Mache dich schwer in deinem Sattel, ohne dabei die Haltung deines Oberkörpers zu verändern. Such mit deinem Sitz das Brustbein deines Pferdes. Stelle dir vor, du bist ein mit Sand gefüllter Sack, der sich langsam in den Brustkorb des Pferdes entleert.
Konzentriere dich vollständig auf das Gefühl deines Gesäßes auf dem Sattel. Das hilft dir dabei, sehr gute Ergebnisse zu erzielen.
Und es wird losgetrabt!
Bevor du in dieser Haltung ohne Steigbügel losreitest, entspanne dich. Es ist wirklich nichts Schlimmes dabei…
Denk daran, tief und ruhig durchzuatmen. Suche das Gleichgewicht zwischen der Entspannung deines Körpers (ohne Verspannung) und der positiven Anspannung deiner Muskeln (die dir dabei hilft, die korrekte Haltung beizubehalten). Denk an einen Sportler in den Startblöcken vor einem 100-Meter-Lauf. Er ist tiefenentspannt, aber alle seinen Muskeln sind für die auf ihn zukommenden Kraftaufwand bereit.
Nehme deinen Körper bewusst wahr. Fühle wie deine Hüfte, deine Ellenbogen und dein unterer Rücken sich bewegen. Fühle jeden einzelnen Wirbel und jedes einzelne Gelenk. Atme bewusst ein und aus.
Achte dabei besonders auf deine Oberschenkel und die Tatsache, dass der Winkel zwischen deinem Schenkel und deinem Oberkörper möglichst offen bleibt.
Fühle wie schwer deine Beine sind, aber achte dabei darauf, sie in einer entspannten Position zu halten.
Du kannst dich auch etwas weiter zurücklehnen als gewöhnlich, um dein Becken vorzubringen.
Konzentriere dich auf die Bewegungen deines Pferdes und versuche, sie zu antizipieren! Fühle den ersten Schritt im Trab, wenn das Hinterbein den Rücken nach oben drückt. Stelle dir diese Bewegung nun wie eine Welle vor. Fühle die abfallende Phase des Trabs und das Senken des Rückens.
Und denk daran, das Aussitzen folgst du auch mit den Bewegungen des Pferdes, allerdings ohne aus dem Sattel aufzustehen! Das bringt dich zum Lachen? Die Rückbewegung des Pferdes beim Aussitzen im Trab bleibt weiterhin die gleiche, von unten nach oben und von vorne nach hinten! Die Welle bleibt ist immer da…
Denk auch daran, dass es nichts bringt, dich vollständig auszupowern. Sobald du ermüdest, wirst du steif und angespannt. Gewöhne deinen Körper nach und nach an diesen neuen Bewegungsablauf. Ich bevorzuge es, jeden Tag 5 bis 10 Minuten ohne Steigbügel an meinem ausgesessenen Trab zu arbeiten anstatt einmal die Woche 30 Minuten am Stück.
Weil es mit Muckis gleich viel besser klappt: Muskelaufbau für (faule) Reiter
Mein Pferd ist mein Freund, auch beim Aussitzen
Du bist super motiviert und zu allem bereit, um an deinem ausgesessenen Trab zu arbeiten.
Achtung! Dein Pferd steht an erster Stelle.
Es ergibt keinen Sinn, seine Haltung mit einem unausgeglichenen, angespannten oder in Abwehrhaltung befindlichen Pferd zu trainieren. Wenn dein Pferd nicht in der Lage ist, sich gleichmäßig fortzubewegen und dementsprechend auch nicht an den Hilfen steht, dann musst du zuerst daran arbeiten. Danach kannst du an deinem Sitz ohne Steigbügel arbeiten.
Komfortzone
Zwei Themen haben wir noch gar nicht angesprochen. Zum ersten das Tempo, in dem du an deinem ausgesessenen Trab arbeiten solltest. Und zum zweiten den Grad der Unbequemlichkeit, der für dich annehmbar ist.
Jeder Reiter hat eine Komfortzone haben, d.h. in diesem Fall einen Trab, eine Haltung, in der er sich (relativ) sicher fühlt. Sollte das bei dir nicht der Fall sein, dann solltest du zuerst daran arbeiten.
Das Problem ist, dass diese Komfortzone nie „fix” ist.
Je mehr der Reiter in seiner Komfortzone bleibt, desto weniger wird er Neues wagen. Je weniger Neues er wagt, desto weiter schrumpft dieser Bereich und desto weniger wohl fühlt sich der Reiter. Je mehr wir uns auf dem leichten Trab ausruhen, desto unbequemer scheint der ausgesessene Trab.
Die Komfortzone ist ein wichtiger Grundfaktor. Diese wollen wir jeden Tag ein wenig vergrößern, bis wir uns in einem immer weiteren Trab wohl fühlen und wir dazu in der Lage sind, immer länger auszusitzen, ohne dabei an unsere Grenzen zu geraten.
Wir können dieses Verhalten mit dem junger Wölfe vergleichen, die sich jeden Tag ein wenig mehr von ihrer Wolfsgrube entfernen.
Ausdauer spielt eine wichtige Rolle dabei. Mach dir nicht die Illusion, dich dabei nicht anstrengen zu müssen. Ansonsten wirst du stetig Rückschritte erzielen und immer schneller ermüden.
Wie du deine Komfortzone verlassen kannst, ohne dich unwohl zu fühlen
Zum Abschluss und als Motivation würde ich euch gerne die Geschichte von einer meiner Schülerinnen erzählen, die ich sehr passend finde.
Bei ihren ersten Reitstunden vor einigen Jahren hat sie es geschafft, vier bis fünf Tritte im ausgesessenen Trab zu reiten. Sie hatte einen starken Willen und beschwerte sich nicht, aber man konnte ihr ihr Leiden im Gesicht ansehen. Das Aussitzen im Trab, selbst über kurze Dauer verlangte ihr viel ab – bis zu dem Punkt, dass ihr nach ein paar Runden im Trab der Schwei das Gesicht herunterlief.
Ich erklärte ihr das Prinzip des Komfortbereichs und die Art, sich zu verbessern, ohne davon überzeugt zu sein, dass sie die Anstrengungen dafür aufbringen würde. Ich wusste, dass sie nur aus Spaß ritt und sie als Unternehmensleiterin sehr beschäftigt war.
Als ich sie jedoch im darauffolgenden Monat sah, versicherte sie mir, dass sie jeden Tag ihre Übungen machte. Zu dem Zeitpunkt konnte man natürlich noch keinen Unterschied sehen.
Im Monat danach erzählte sie mir, dass sie beim Laufen darauf achten würde, immer einen Schritt schneller als gewöhnlich zu laufen bis sie ein wenig aus der Puste kommt. Ich war erfreut zu sehen, dass sie sich so sehr anstrengte. Sie sagte mir, dass sie es ihrem Pferd schuldig wäre und dass sie es unfair fände ihrem Pferd solch eine Anstrengung zuzumuten, ohne sich selbst anzustrengen.
Als sie zu ihrer nächsten Reitstunde kam, hatte sich etwas verändert. Ihre Haltung war anders und ihr Gesicht hatte einen Ausdruck, den ich noch nie zuvor bei ihr gesehen hatte. Sie sagte mir, dass sie nachgedacht hätte und dass ihr Training sie nicht schnell genug voranbrächte. Sie hatte sich also dazu entschieden, in ihrer Freizeit Fahrrad zu fahren!
Vier Monate später war sie wie ausgewechselt. Sie war in Höchstform und hatte eine richtig sportliche Figur. Erst am Ende der Reitstunde stellte ich fest, dass sie fast nicht leichtgetrabt war. Aber noch viel wichtiger, dass sie noch nicht mal eine Pause einlegen wollte! Sie war so sportlich, dass ich mich einzig und allein auf die Arbeit an ihrem Pferd konzentriert hatte. Und hätte ich Pausen eingelegt, dann nur, damit sich ihr Pferd erholen konnte!
Ich hoffe, dass zeigt dir, dass alles möglich ist und dass mit der richtigen Technik und ein bisschen Ehrgeiz fast alles machbar ist…
Gute Arbeit!
Pierre Beaupère
Du findest weitere Tipps zur Verbesserung und Effizienzsteigerung deiner Haltung sowie zur Verbesserung des Gleichgewichts, der Leichtigkeit und der Entspannung deines Pferdes im Buch von Pierre Beaupère « EQUILIBRE ET RECTITUDE », das auf seiner Internetseite erhältlich ist: www.prbdressage.com.
Tolle Tipps. Der Reitsattel ist schon ergonomisch genug, wie ein Sattelstuhl. 🙂 Die Tipps für richtige Sitzen ergänzen die richtige Haltung. Toller Beitrag!