Wie ermittle ich den Futterbedarf meines Pferdes?
Wie stellen wir sicher, dass die Futterration, die wir unserem Pferd geben auch die richtige ist? Inwiefern muss ich die Fütterung an die Trainingsintensität meines Pferdes anpassen? Schauen wir uns die Berechnung der Futterration sowie den Futterbedarf des Pferdes einmal genauer an.
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Grundumsatz und Leistungsumsatz des Pferdes
Um bestimmen zu können, wie viel Futter das Pferd benötigt, muss man den Unterschied zwischen Grundumsatz und Leistungsumsatz verstehen.
⏩ Der Grundumsatz bezeichnet die Energie, die das Pferd benötigt, um lebenswichtige Körperfunktionen wie Atmung, Verdauung, Ausscheidung, Thermoregulation, Organfunktionen etc. aufrechtzuerhalten. Er hängt von verschiedenen Faktoren ab, wie z.B. vom Gewicht, körperlichen und gesundheitlichen Zustand, Geschlecht, Temperament und auch äußeren Umweltfaktoren wie dem Klima etc.
⏩ Wird der Organismus stark beansprucht, z.B. durch körperliche Arbeit, wie es bei Sportpferden der Fall ist, im Wachstum oder durch Trächtigkeit und Milchproduktion bei Zuchtstuten, dann beschränkt sich der Energieverbrauch nicht mehr nur auf den Grundumsatz, sondern der Leistungsumsatz kommt hinzu.
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Auch die Genetik spielt eine Rolle
Da Pferde vom Menschen als Arbeitstiere, also beispielsweise im Krieg oder als Rückepferde genutzt wurden, hat man begonnen, sie mit Getreiden zu füttern. Die Pferde haben bei diesen Tätigkeiten einen enormen Energieumsatz gehabt. Getreide war deswegen gut als Futter geeignet, weil es reich an Kalorien und somit an Energie ist und die Zeit der Futteraufnahme deutlich reduziert werden konnte. Einem Pferd, das gleich mit an die Front sollte, konnte keine zweistündige Fresspause eingeräumt werden, um in aller Ruhe sein Heu mampfen zu können.
Jetzt wird es komplizierter: Der Stoffwechsel, und somit auch die Bedürfnisse, unterscheiden sich je nach Rasse. Ponys z.B. haben einen relativ langsamen Stoffwechsel und dementsprechend einen niedrigeren Grundumsatz. Sie kommen also mit relativ wenig Futter aus. Vollblüter hingegen haben einen schnelleren Stoffwechsel und somit auch einen höheren Grundumsatz.
Außerdem sind natürlich auch nicht alle Pferde gleich, das ist bei uns Menschen ja auch nicht anders. Der Stoffwechsel hängt auch vom Individuum ab. Es kennt doch jeder dieses einen Kerl, der fressen kann wie ein Scheunendrescher, aber einfach kein Gramm zunimmt, während man selbst auf seine Ernährung achtet und sich 4 Mal die Woche zum Sport schleppt und dann trotzdem noch zunimmt… Das ist bei Pferden nicht anders!
Versuchen wir also, herauszufinden, was das Pferd eigentlich braucht.
Wie berechnen wir den Futterbedarf des Pferdes?
Beim Menschen werden Kalorien (kcal) als Einheit für den Energieverbrauch und die Nahrungsaufnahme verwendet. Beim Pferd hingegen rechnet man in Deutschland normalerweise in Megajoule (MJ). Die Franzosen haben sich noch etwas anderes ausgedacht, sie verwenden häufig die Einheit UFC (l’Unité Fourragère Cheval), was übersetzt soviel heißt wie “Futtereinheit des Pferdes”. 1 UFC entspricht dabei der Energiemenge von 1 kg Gerste, bzw. 2200 kcal.
Die enthaltenen Proteine müssen zum Großteil verdaulich sein, damit sie vom Pferd überhaupt verarbeitet werden können. Das INRA (l’institut nationale de la recherche agronomique), also das französische nationale Institut für Agrarforschung, hat ein System entwickelt, mit dessen Hilfe man den Energie- und Proteinbedarf seines Pferdes einfacher nachvollziehen können soll. Das sogenannte MADC (Matières Azotées Digestible Cheval), das für den “Rohproteingehalt” steht, ist nicht wirklich aussagekräftig, da dort alle Proteine mit eingeschlossen werden, auch solche, die für das Pferd gar nicht von Nutzen sind. Es besagt lediglich, dass die genannten Proteine verdaut werden können, unabhängig von ihrer Funktion.
Bei der Intensität des Trainings werden UFC und MADC zusammengebracht. Je nachdem, in welchem Maße die körperliche Tätigkeit anstrengend ist, werden andere Mengen für die Fütterung des Pferdes empfohlen. Bei einem Pferd mit einem Gewicht von 500 kg sähe das Ganze z.B. so aus:
Wie ermitteln wir den genauen Futterbedarf bei der Arbeit?
Die letzte Herausforderung bei der Berechnung der perfekten Futterration liegt darin, die Trainingsintensität seines Pferdes richtig einzuschätzen. Die Tabelle des INRA berücksichtigt hierbei nur wenige Stufen von körperlicher Arbeit: sehr leicht, leicht, mittel, intensiv, sehr intensiv. Das ist zwar ein guter Anfang, aber leider nicht wirklich objektiv.
Wir haben uns zu diesem Thema immer wieder den Kopf zerbrochen: Woher soll man denn nun wissen, ob man sein Pferd leicht, mittel oder intensiv trainiert?
Zunächst einmal ist die Anzahl der Trainingseinheiten miteinzubeziehen. Vielleicht auch die Zeit, die im Galopp verbracht wird, allerdings ist ein langsamer Galopp für manche Pferde gar nicht wirklich anstrengend. Das sieht beim starken Galopp schon wieder ganz anders aus. Man könnte noch jede Menge weitere Überlegungen anstellen, aber eine eindeutige Antwort würden wir wohl leider trotzdem nicht finden.
Die Einschätzung des Energieverbrauchs des Pferdes bei der Arbeit kann nur durch einen einzigen Messwert ermittelt werden: die Herzfrequenz.
Forscher haben tatsächlich eine Formel entwickelt, mit der man relativ einfach mit Hilfe der Herzfrequenz die verbrauchte Menge an Sauerstoff (VO2) und anschließend die aufgewandte Energie berechnen kann.
Indem die Herzfrequenz bei jedem Training misst, kann man exakt nachvollziehen, wie sich der Energiebedarf seines Pferdes durch die körperliche Arbeit verändert. Somit kann man auch besser einschätzen, wie intensiv das Training denn überhaupt war und somit, wie viel (Zusatz-) Futter das Pferd benötigt.
Genau aus diesem Grund haben wir unser neuestes Produkt, den Equisense Motion S, entwickelt. Er misst unter anderem die Herzfrequenz des Pferdes bei der Arbeit und ebenfalls den Energieverbrauch.
Berechnung des Futterbedarfs: diese Fehler sollte man vermeiden
1) Das Volumen der Futterration nicht mit einzurechnen
Ein weiterer Punkt, den es zu beachten gilt, ist das Volumen der Futtermenge, das dein Pferd aufnehmen kann. Das ist sehr wichtig für die umfassende Berechnung der Rationen.
Bei einem ausgewachsenen Pferd von 500 kg liegt diese bei 8 bis 12 kg Trockenmasse pro Tag und je nach Arbeitsintensität (10 kg Trockenmasse entspricht etwa 50 kg Weidengräsern oder 12 kg Heu!).
Dieses Volumen ist auch der Grund dafür, dass Pferde im Leistungsbereich Nahrungszusätze benötigen. Alle wichtigen Nährstoffe (Proteine, Fette usw.) in ausreichenden Mengen müssen in einem aufnehmbaren Volumen vorhanden sein.
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2) Das Raufutter unterschätzen
das Raufutter ist für Pferde extrem wichtig. Erstens ermöglicht es dem Pferd, den Großteil des Pferdes der Nahrungsaufnahme nachzugehen, wodurch Fresspausen vermieden werden. Außerdem deckt es großen Teil des Nährstoffbedarfs. Die Schwierigkeit liegt darin, es richtig zu dosieren. Daher sollte es auf jeden Fall gewogen werden.
Denn oft füttert man weniger Raufutter, als man denkt. Außerdem ist natürlich auch die Qualität des Futters und seine Beschaffenheit an, also ob es sich bspw. um Gras oder Silage handelt. Hier gibt es enorme Unterschiede! Selbst auf der gleichen Anbaufläche kann die Qualität des Futters im Laufe des gleichen Jahres variieren.
UFC | MADC (g) | |
Weidegras im Frühling | 0,86 | 102 |
Weidegras im Winter | 0,6 | 40 |
Raisgrasheu / Foin de Crau | 0,6 | 57 |
Grassamenheu / Foin peu nutritif | 0,45 | 13 |
Eine Analyse des Raufutters gibt Aufschluss über dessen Inhaltsstoffe, wodurch man anschließend entscheiden kann, welches Zusatzfutter für den entsprechenden Zeitraum geeignet ist.
3) Auswahl des Futters nach Etikett und Zutaten
Ist der Bedarf an Energie, Proteinen, Vitaminen und Mineralien durch das Raufutter nicht vollständig abgedeckt, kann ein Zusatzfutter ausgewählt werden.
Der erste Reflex ist, sich die Inhaltsstoffe und vor allem die verwendeten Getreidesorten anzuschauen. Allerdings macht dies nur Sinn, wenn man ein spezifisches Getreide bei der Fütterung auf jeden Fall vermeiden möchte. Ein Blick auf das Etikett hilft manchmal auch nicht wirklich weiter.
Es empfiehlt sich daher, im Internet nachzuforschen, denn dort findet man nicht nur die Inhaltsstoffe aufgelistet, sondern auch noch weitere Informationen wie den Energiegehalt usw. Um die perfekte Ration zu ermitteln, lohnt es sich, sich einen Profi ins Boot zu holen oder einen Labortest machen zu lassen.
4) Auswahl des Futters nach dessen Funktion
Man sollte immer bedenken, dass ein Futter ursprünglich einen bestimmten Zweck erfüllen soll. Ein normales Zusatzfutter wird in der Regel nicht ausreichend Proteine für eine säugende Stute enthalten. Ein Futter speziell für Sportpferde wird zu reichhaltig für ein Schulpferd sein etc. Auch wenn man z.B. Heucobs und Getreide zufüttern möchte, sollte man sich genau informieren
Fütterung ist 80% unsichtbar
Die Auswirkunges des Futters auf unser Pferd können wir nur zum Teil nachvollziehen. Etwa 20% sind nach außen hin sichtbar (Fell, Mähne, Hufe, Gewicht), die anderen 80% (Immunsystem, Verdauungssystem, Fruchtbarkeit, Beschaffenheit von Knochen und Gelenken etc.) nicht. Mit dem richtigen Futterplan kann man sein Pferd also langfristig gesund und fit halten.
Marine Slove
Tierärztin und Ernärungsexpertin
Camille Saute
R&D Managerin bei Equisense
Bibliografie :
[1] V. Etienne, “Chamboule-tout dans les origines des chevaux”, Communiqué de presse du CNRS, 22 fév. 2018
Icones et images :
Male Avatar by Artem Kovyazin from the Noun Project
Baby by Artem Kovyazin from the Noun Project
Weather by Lane F. Kinkade from the Noun Project