Hufeisen: 10 Fakten zum Hufbeschlag
Hufeisen sind nach wie vor ein heiß diskutiertes Thema. Manche sind dafür und manche sind dagegen. Mich als biomechanische Ingenieurin interessiert dieses Thema unheimlich. Daher möchte ich in diesem Artikel keine Meinung vertreten, sondern einfach nur die folgende Frage beantworten: Welchen Einfluss haben der Schnitt und der Beschlag der Hufe auf das Pferd und wie funktionieren Hufeisen?
Ich habe mich dazu an den Hufpfleger Olivier Rembert und den Tierarzt Philippe Benoit gewendet.
Table des matières
- #1- Die Funktion des Beschlags
- #2- Die Zehenkappen
- #3- 1 oder 2 Zehenkappen
- #4- Warum sind außen mehr Nägel als innen? 🔨
- #5- Die Größe und das Gewicht der Hufeisen
- #6- Silikon und Einlagen 👟
- #7 – Warum werden Hufeisen abgeschliffen?
- #8 – Die Breite des Hufeisens
- #9 – Hufeisen bei Erkrankungen des Bewegungsapparates
- #10 – Hufeisen bei Fehlstellungen
- Fazit
#1- Die Funktion des Beschlags
Ist das Pferd gesund und hat ein “normales” Exterieur ohne Fehlstellungen, dann dient der Beschlag einzig und allein dazu, dass die Form der Hufe nach dem Schneiden länger erhalten bleibt.
Der Hufschmied soll zum Wohl des Pferdes beitragen, aber manchmal kann dies auch bedeuten, dass das Pferd barhuf läuft. In manchen Fällen kommt man um Hufeisen aber nicht herum, z.B. bei manchen Erkrankungen oder Fehlstellungen etc.
Man sollte sich bewusst machen, dass das Pferd durch den Menschen “sesshaft” geworden ist und damit seine Hufe und Gliedmaßen anfälliger geworden sind. Das liegt auch daran, dass der Boden, auf dem unsere Pferde laufen, oft nicht ideal ist. Sowohl im Freizeit-, im Leistungssport als auch als Arbeitstier mussten daher die Bedingungen, wie z.B. die Hufpflege so gut es geht angepasste werden.
Aufbau des Hufeisens
Kannst du alle Teile eines Hufeisens benennen? Nein? Dann aufgepasst!
Wichtig dabei ist auch die Garnitur, also der Bereich des Schenkelendes, der über den Tragrand vorsteht.
#2- Die Zehenkappen
Die Zehenkappen stabilisieren das Hufeisen. Wächst der Huf, erhöht sich dadurch allerdings auch der Druck.
Oft wird an den Vorderhufen einen Eisen mit einer Zehenkappe und an den Hinterhufen eines mit 2 Zehenkappen verwendet. Und wieso sind vorne manchmal doch 2 Zehenkappen? Und warum sieht man an den Hinterhufen selten eine Zehenkappe an der Zehe?
#3- 1 oder 2 Zehenkappen
Früher hatten Zugpferde eine Zehenkappe, wie der Name schon sagt, an der Zehe. Dies war für sie zum Ziehen schwerer Lasten von Vorteil. So wurden die Hufe nicht so schnell abgenutzt. Allerdings kommt es bei der mittig platzierten Zehenkappe an den Hinterhufen häufig zu Verletzungen der Vorderhufe, besonders wenn das Pferd schnell läuft. Daher werden hinten in der Regel 2 seitliche Seitenkappen angebracht. Vorne ist ein Seiten- oder Zehenaufzug möglich.
Das Abrollen
Soll ein Pferd bei hohen Geschwindigkeiten laufen, dann ist es besonders wichtig, dass das korrekte Abrollen des Hufes gegeben ist. Durch das Abrollen werden die Strukturen im Huf und Bein des Pferdes geschont, vor allem die Sehnen. Ein Seitenaufzug ist dafür in der Regel zu empfehlen. Die Zehe bleibt so nämlich frei und kann besser abrollen.
⚠️ Das Problem bei einem Seitenaufzug mit 2 Zehenkappen an den Vorderhufen liegt darin, dass wenn das Hufeisen zu weit hinten sitzt,
⚠️ Le problème de ces fers à double pinçons au niveau des antérieurs c’est que si le fer est trop reculé, la base d’appui du pied est réduite, ce qui peut gêner le cheval dans sa locomotion. Ces fers peuvent aussi entraîner un rétrécissement du pied latéralement.
#4- Warum sind außen mehr Nägel als innen? 🔨
Vielleicht ist dir schonmal aufgefallen, dass außen mehr Nägel sind als innen. Das liegt daran, dass die Hornwand innen generell sensibler ist als außen. An der Innenseite ist daher beim Beschlagen besondere Vorsicht geboten, da dort das Risiko, das Pferd zu verletzen, höher ist.
Im Bereich der Trachten, also quasi am Ende der seitlichen Hufwand, ist die Hufwand ebenfalls besonders sensibel. Außerdem ist dies der Bereich, der beim Aufsetzen des Hufes gedehnt wird. Dieser Mechanismus ist entscheidend für die korrekte Funktion des Hufes und er kann durch die Nägel gestört werden.
#5- Die Größe und das Gewicht der Hufeisen
Lange Zeit ging man davon aus, dass schwerere Hufeisen besser dämpfen als leichtere. Allerdings weiß man mittlerweile, dass genau das Gegenteil der Fall ist. Die Vibration werden von schweren Hufeisen stärker weitergeleitet, was eigentlich nicht erwünscht ist.
Die Extremitäten des Pferdes sind mit der Zeit übrigens immer leichter geworden. Die Hufeisen sollten daher an diese Entwicklung angepasst werden und nicht zu schwer sein. Es gibt mittlerweile viele Hufeisen aus Plastik oder Aluminium.
Die Größe des Hufes und natürlich des Eisens muss an das Pferd angepasst sein. Das ist beim Mensch genauso. Eine 2,10 m große Person mit einer Schuhgröße 36 wird früher oder später Probleme mit den Gelenken haben. Auch beim Pferd muss daher auch die Größe und die Morphologie des Pferdes angepasst werden. Die Fläche, die mit dem Boden in Berührung kommt, sollte möglichst groß sein (natürlich in gesunder Form), da so der Druck auf eine größere Fläche verteilt wird und punktuell geringer ist.
#6- Silikon und Einlagen 👟
Auf der Abbildung weiter oben ist dir vielleicht die Ledersohle aufgefallen. Manchmal sind sie auch aus Plastik und der Raum zwischen der Sohle des Hufeisens und der Sohle des Hufes ist mit Silikon oder dergleichen ausgefüllt.
Diese Einlagen sollen die Hufsohle schützen. Dies kann bei empfindlichen Hufen oder wenn das Pferd auf unregelmäßigem Boden läuft sinnvoll sein.
Die Füllung zwischen Huf und Eisen dient außerdem dazu, das Gewicht besser zu verteilen. So wird der Druck nicht nur auf das Hufeisen verteilt, sondern auf den gesamte Huf. Vergleich: Pumps vs. AirMax 😉
#7 – Warum werden Hufeisen abgeschliffen?
Manchmal werden die Hufeisen abgekantet, oft im Bereich der Zehe, seltener an der seitlichen Hufwand. Auf diese Weise soll das Abrollen des Hufes vereinfacht werden.
Bei einer zu langen Zehe oder untergeschobenen Trachte (der Huf ist quasi weniger vertikal) ist das Abrollen erschwert und die tiefe Beugesehne wird deutlich stärker beansprucht. Durch das Abkanten der Zehe wird diese Sehne also geschont und außerdem entspricht die Form des Hufes auf diese Weise eher der des Barhufs.
Zusätzlich kann so die Breite des Eisens angepasst werden.
#8 – Die Breite des Hufeisens
Auch hier spielt die Vergrößerung der Kontaktoberfläche zum Boden eine Rolle, außerdem kann man das Zentrum des Hufes verschieben, die Verlagerung des Gewichts und verändern und Stellungsfehler behoben werden.
Früher hat man eher die Decke des Eisens variiert, heute spielt man eher mit der Breite.
“Stellungsfehler werden durch das Anpassen der Garnitur und der Breite behoben, nicht durch das der Dicke.” (J.M. Denoix)
Die Breit eines Hufeisens kann übrigens variieren, sie kann durchaus asymmetrisch sein: Ein Schenkel kann breiter sein als der andere, oder an an der Zehe und am Schenkelende unterschiedlich breit sein.
Die Garnitur ist der Bereich des Hufeisens, der am Schenkelende über den Huf hinausgeht. An der Innenseite des Hufes findet man normalerweise keine Garnitur, um ein Abtreten des Eisens zu verhindern.
#9 – Hufeisen bei Erkrankungen des Bewegungsapparates
Pferde, die von Tendinitis oder dem Hufrollensyndrom betroffen sind, erhalten oft einen speziellen Beschlag. Das ist durch die Beschaffenheit der Sehnen möglich.
Die Sehen des Pferdebeins
Sagen dir die Begriffe oberflächliche und tiefe Beugesehne etwas?
Die 3 wichtigsten Sehnen sind folgende:
- Die oberflächliche Beugesehne. Sie lässt sich gut ertasten, denn sie befindet sich gleich unter der Haut hinter dem Röhrbein.
- Die tiefe Beugesehne. Sie liegt hinter der oberflächlichen Beugesehne. Sie ist durch ein Unterstützungsband mit dem Karpalgelenk (Kniegelenk) verbunden und unterstützt dieses. Die tiefe Beugesehne reicht bis hinunter in den Huf.
- Der Fesselträger. Er teilt sich auf mittlerer Höhe des Röhrbeins und trägt zur Flexibilität des Fesselbeins bei.
Die tiefe Beugesehne spielt beim Beschlag eine wichtige Rolle.
Nur wenn man den Aufbau des Hufs und des Beins des Pferdes versteht, kann man die Auswirkungen des Beschlags wirklich nachvollziehen. Die Korrektur von Fehlstellungen mithilfe des Beschlags hat nicht nur Auswirkungen auf den Huf, sondern auch auf den restlichen Körper des Pferdes.
Was kann ein Hufeisen hier Abhilfe schaffen? 🧐
Hier spielt das Abrollen des Hufs nach vorne bzw. hinten eine große Rolle:
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- Rollt der Huf nach vorne ab, wird die tiefe Beugesehne weniger angespannt, der Fesselträger hingegen mehr. Dadurch wird weniger auf das Strahlbein gedrückt und der Fesselkopf bewegt sich nach unten.
- Rollt der Huf nach hinten ab, wird die tiefe Beugesehne mehr angespannt, der Fesselträger hingegen weniger. Dadurch wird mehr auf das Strahlbein gedrückt und der Fesselkopf bewegt sich nach oben.
Deshalb versucht man bei einer Entzündung der tiefen Beugesehne genauso wie beim Hufrollensyndrom, den Huf nach vorne abrollen zu lassen. Dies geschieht durch das Abschrägen des Hufs oder des Hufeisens.
⏩ Beispiele für Hufeisen bei Tendinitis und Hufrollensyndrom ⏩
In beiden Fällen werden häufig Hufeisen verwendet, die an der Zehe offen, also quasi falsch herum sind (Napolon-Beschlag), oder solche mit vergrößerter Auflagefläche (Ovaleisen, Eiereisen) oder aber vollständig geschlossene Eisen (Rundeisen).
Alle diese Hufeisen unterstützen das Abrollen des Hufs nach vorne und entlasten somit die tiefe Beugesohne und die Symptome des Hufrollensyndroms bzw. der Podotrochlose.
Es gibt auch Eisen, die an den Schenkelenden schmaler sind als an der Zehe (Suspensorix®). Sie schonen die Zehe und die Trachte nimmt mehr Last auf. Sie werden bei Schäden am Fesselträger verwendet.
NB: Haben Hufeisen 3 Kappen, dann kann der Hufschmied die, die nicht benötigt werden, einfach entfernen.
#10 – Hufeisen bei Fehlstellungen
Hier gilt nicht das Gleiche, denn die Fehlstellung wirkt sich anders aus.
Bei Pferden mit Fehlstellungen, die also entweder zeheneng oder zehenweit sind, werden die Gelenke und Sehnen durch die Asymmetrie des Beins nicht korrekt belastet.
Ist das Pferd z.B. zehenweit, werden alle Gelenke des Beins der Außenseite stärker belastet, genauso wie die Sehnen der Innenseite.
Daher treten bei zehenweite Pferden häufig Sehnenschäden an der Innenseite und Gelenschäde an der Außenseite auf. Bei zehenengen Pferd ist es genau andersherum.
Die Rolle des Beschlags
Der Beschlag soll die Sehnen an der Innenseite entlasten. Wird der Huf an der linken Seite angehoben, dann werden auf der gleichen Seite die Sehnen und Bänder und gleichzeitig auf der rechten Seite die Gelenke entlastet.
Durch das einseitige Anheben des Hufs werden die Sehnen und Bänder auf genau dieser Seite entlastet.
Dafür werden asymmetrische Hufeisen verwendet, d.h. in diesem Fall, dass ein Schenkel dicker ist als der andere. Dadurch wird der Huf an genau dieser Seite angehoben. Auf diese Weise kann einer Tendinitis, also einer Sehnenentzündung, vorgebeugt werden.
Man kann auch den Schwerpunkt verschieben. Wir nehmen wieder ein zehenweites Pferd als Beispiel. Ohne Korrektur entspricht die Achses des Schwerpunkts nicht der Gliedmaßenachse. Letztere liegt zu weit außen. Mit einem dickeren Steg an der Innenseite kann der Schwerpunkt nach innen verschoben werden. Je nach Ausprägung der Fehlstellung nähert sich die Achse des Schwerpunkts der der Gliedmaße angleichen oder sich ihr zumindest annähern.
Der Schenkel an der Innenseit soll daher so dick wie möglich und der an der Außenseite so dünn wie möglich sein. Daher werden die Garnitur und die Breite des Eisens angepasst. Wie bereits gesagt, ist eine Garnitur an der Innenseit allerdings eher unüblich, da das Pferd sich das Eisen schnell abtritt.
⏩ Beispiele für Hufeisen bei Fehlstellungen ⏩
Wir nehmen das… Suspensor Ramix® -Hufeisen? als Beispiel, dessen Schenkel unterschiedlich dick sind.
Fazit
Hufeisen sind ein sehr komplexes, technisches Thema. Nicht ohne Grund ist Hufschmied ein Beruf!
Dabei stehen immer mehr neue Techniker und Materialien zur Verfügung und es kommen immer mehr neue Ansichten dazu, da die Meinungen zum Wohlergehen des Pferdes immer weiter auseinandergehen.
Ähnlich wie wir von Equisense haben es sich noch mehr Unternehmen zur Aufgabe gemacht, den Reitsport zu modernisieren. Das betrifft auch das Beschlagen der Pferde. Nach Hufschuhen gibt es mittlerweile sogar Hufeisen aus Plastik mit Klettverschluss. Vielleicht wird Metall als Material bald abgelöst.
Wir sind gespannt!
Camille Saute
Mitbegründerin von Equisense.