Wie entscheidet der Parcourschef über den Schwierigkeitsgrad der Aufgaben?
„Ahhhh, viel zu schwer heute. Da hat sich der Parcourschef mal richtig ausgetobt. Der hat wohl nicht gut geschlafen und es nun an uns ausgelassen. Das wird ein richtiges Blutbad.” Hast du dich auch bereits von deiner Familie und Freunden verabschiedet, als du einen sehr schweren Parcours reiten solltest? Ich jedenfalls schon! Und wessen Schuld ist das? Die des Parcourschefs natürlich! Heute erklären wir dir, was beim Erstellen eines Parcours in seinem Kopf vorgeht.
Der Parcourschef ist der Regisseur des Wettbewerbs. Er entwirft den Parcours, setzt die gegebene Zeit fest, wählt die Stangen aus und passt die Schwierigkeit der Aufgaben an das Niveau der Reiter an. Er ist für den reibungslosen Ablauf des Wettbewerbs verantwortlich. Eine zu schwierige Aufgabe, kann dafür sorgen, dass weniger abgehärtete Reiter oder Pferde das Vertrauen an sich verlieren. Eine zu einfache Aufgabe hingegen, sorgt für Langeweile im Publikum! Wie also findet er den angemessenen Schwierigkeitsgrad? Die Antwort: anhand verschiedener Kriterien. Einige davon, wie die Höhe der Hindernisse, die Anzahl der Sprünge, die Anzahl der Kombinationen oder die benötigte Zeit, sind eindeutig; andere hingegen eher weniger. Heute widmen wir uns den eher weniger eindeutigen Kriterien.
Bevor es losgeht: Richtiges Abreiten
Table des matières
Kriterium 1 des Parcourschefs: Die Linienführung
Je nach deiner Klasse ist es dir bestimmt auch schon passiert, dass du vor der Wahl standest: „mache ich nun 6 oder 7 Schritte?”. Hast du dich jemals gefragt, warum der Parcourschef genau diesen Abstand zwischen zwei Hindernissen gewählt hat?
Um eine Antwort auf diese Frage zu finden, unterteilen wir den zu analysierenden Abstand in zwei Abschnitte. Die roten Linien kennzeichnen die Bereiche der Anreit- und Landephase und die blaue Linie den der Linienführung.
Im blauen Bereich berücksichtigt der Parcourschef verschiedene Faktoren, wie z.B. die durchschnittliche Schrittlänge im Galopp von 3,50m. Diese ist jedoch variabel und abhängig von dem Gebäude und des Bewegungsapparats deines Pferdes. Der Parcourschef berücksichtigt des weiteren folgende Aspekte:
- die Bodenqualität: ein tiefer Boden verkürzt die Schrittlänge,
- das Gefälle: bei einem Gefälle sind die Schritte natürlich länger als bei einem Anstieg!
- die Ausrichtung zum Tor: die Schritte verlängern sich gewöhnlich mit gerader Sicht auf das Tor,
- die Hindernisnummer: die Schritte verlängern sich nach und nach im Parcours.
Die Linienführung sollte ebenso die Bereiche des Anreitens und Landens mit einberechnen, da deren Größe ebenfalls variiert! Sie hängt vor allem von der Höhe und der Weite des Hindernisses, jedoch auch von der Schnelligkeit des Pferdes beim Anreiten ab. Das ist der Grund dafür, dass wir in eine Linie mit einer etwas kurzen Distanz langsamer reingehen. Im Bezug auf die Höhe des Hindernisses ist es interessant zu beobachten, dass das Erhöhen der Stange von 1m auf 1,60m für eine zusätzlichen Platzverbrauch des Hindernisses von fast 1m sorgt.
- Für ein Hindernis von 1m ist der Anreitbereich 1,50m und der Landebereich 1,75m, d.h. ein Gesamtbereich von 3,25m
- Für ein Hindernis von 1,60m ist der Anreitbereich 1,80m und der Landebereich 2,20m, d.h. ein Gesamtbereich von 4m
Der Parcourschef bedient sich all dieser Elemente, um seinen Parcours zu erstellen und die Abstände zu bestimmen. Er kann den Schwierigkeitsgrad also erhöhen, indem er mittlere Abstände wählt, oder ihn senken, indem er normale Abstände festlegt. Um diese Schwierigkeit zu meistern, bleibt nur eins zu tun: fleißig trainieren! Deshalb haben wir am Ende dieses Artikels ein paar einfache Trainingsübungen für dich vorbereitet.
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Kriterium 2 des Parcourschefs: Die Art des Hindernisses
Die Art des Hindernisse spielt bei der Bestimmung des Schwierigkeitsgrads ebenfalls eine entscheidende Rolle. Die Breite der Frontseite des Hindernisses ist ein wichtiger Faktor, da es für das Pferd z.B. einfacher ist an einem schmalen Hindernis vorbeizureiten. Ein Unterbau oder ein Wassergraben können das Pferd zudem beunruhigen und es dazu neigen lassen, seine Schritte zu verkürzen und somit die Pläne des Reiters zu durchkreuzen (vor allem wenn eine Linienführung besteht).
Der Parcourschef spielt ebenfalls mit der Farbe des Hindernisses, da das Pferd, Farben anders wahrnimmt als wir Menschen. Um es vereinfacht darzustellen: wir besitzen drei Lichtrezeptoren, einen für blaues, einen für rotes und einen für grünes Licht. Wir haben also ein trichromatisches Farbsehen. Je nach Quantität des einfallenden Lichts, das jeder Rezeptortyp empfängt, sehen wir eine ganze Palette von Farben. Das Pferd hingegen hat lediglich zwei Rezeptortypen, blau und grün, d.h. ein dichromatisches Farbsehen. Somit verändert sich die komplette Wahrnehmung aller Farben. Das Pferd sieht alles in „pastel” und in den Tönen braun, gelb, blau und grau. Beim Menschen nennt man diese Rotblindheit „Protanopie”. Die Pferde sehen also ungefähr so:
Für Pferde ist es demnach schwieriger, zwischen den einzelnen Farben zu unterscheiden. Eine Studie über die Farben der Hindernisse hat gezeigt, dass grüne und gelbe Hindernissen eine besonders hohe Fehlerquote aufweisen. Da die Farbe gelb eine Mischung aus grünem und rotem Licht ist, unterscheidet das Pferd diese beiden Farben nicht und verwechselt sie sogar mit dem Untergrund (der im Fall von Gras grün und im Fall von Sand gelb ist).
Kriterium 3 des Parcourschefs: Die seitliche Biegung
Die seitliche Biegung ist eine weitere Möglichkeit, den Schwierigkeitsgrad des Parcours zu erhöhen. Die Wirbelsäule des Pferdes ist nicht sonderlich beweglich, wenn es um seitliche Bewegungen geht.
Das Schema zeigt das Ergebnis einer Studie von Hilary Clayton über die Anzahl der möglichen Bewegungen jedes Wirbels. Man sieht sehr gut, dass der Winkel zwischen dem Schädel und dem ersten Wirbel fast 90° beträgt. Die Winkel unter dem Sattel hingegen sind auf 5° bis 10° beschränkt. In einem Hindernisparcours kann das Pferd sich also nicht weit genug im Bogen biegen. Um das wettzumachen, neigt sich das Pferd. Je mehr sich das Pferd jedoch neigt, desto schwieriger ist es die Geschwindigkeit und den Schwung beizubehalten. Der Parcourschef kann den Parcours also schwieriger gestalten, indem er engere Kurven einbaut oder die gegebene Zeit verkürzt und dich somit zu engere Wendungen zwingt.
Trainingsübungen für den idealen Parcours
Übung #1: Die Linienführung mit Bodenstangen
Um dich auf die verschiedenen Linienführungen, die der gemeine Parcourschef für dich geplant hat, vorzubereiten, gibt es nichts einfacheres, als zu Hause an Bodenstangen oder kleinen Hindernissen zu trainieren. Macha hat eine Übung für dich vorbereitet, die dir dabei hilft, an deiner Gangweite zu arbeiten. Ihr findet sie hier.
Macha platziert dabei zwei Stangen 20m entfernt voneinander auf dem Boden und variiert ihre Durchgänge mit 4-5-6-7 oder gar 8 Schritten. Du kannst die Übung noch erschweren, indem du innerhalb von zwei aufeinanderfolgenden Durchgängen zwischen 4 und 7 Schritten wechselst. Du musst deinen Galopp somit sehr gut kontrollieren.
Übung #2: Das Kleeblatt
Diese Übung ist ideal, um an deinen engen Wendungen zu arbeiten. Du ordnest dabei 4 Stangen oder 4 kleine Hindernisse im Zirkel auf dem Boden an. Du kannst die Abstände zwischen den Stangen nach und nach verkürzen. (Übung aus dem Buch « 101 exercices de sauts d’obstacle », Belin)
Übung #3: Das schräge Springen
Das Schräge überspringen von Hindernissen ist praktisch, wenn der Parcourschef ein besonders knappes Timing festgelegt hat. Wie in der unteren Abbildung sichtbar ist, wird das Hindernis dabei in einem immer spitzeren Winkel angeritten. Pylonen können dir dabei helfen, trotz der Schräge gerade zu bleiben. Denk dabei immer daran, 2 bis 3 gerade Schritte zwischen dem Ausgang deiner Kurve und deinem Hindernis zu lassen!
Nun weißt du alles, was es zu wissen gibt, um die Parcours der Parcourschefs zu entschlüsseln und seine Fallen zu umgehen. Teste es aus!
Alice Martinez,
R&D-Ingenieur bei Equisense