Mein Pferd hat eine Tendinitis. Was tun?
Auweia! Eine Sehnenentzündung bereitet dem Pferd Schmerzen und löst beim Reiter Panik aus. So richtig weiß man eigentlich nie, warum genau sie auftritt, ob man sie hätte verhindern können und vor allem, was jetzt zu tun ist, um den Schaden so gering wie möglich zu halten. Tatsächlich scheint die Tendinitis ohne jede Vorwarnung aufzutreten. So kommt man eines Tages in den Stall und muss mit Entsetzen feststellen, dass das Pferd lahmt.
In diesem Artikel möchte ich daher erklären, wie man mit dem Thema Tendinitis umgehen und welche Fragen man sich zunächst einmal stellen sollte: Welche Sehnen sind betroffen? Gibt es bereits Anzeichen für eine mögliche Erkrankung? Was kann man tun, um die Genesung des Pferdes zu unterstützen?
Table des matières
Los geht’s mit ein bisschen Anatomie…
Und schon wieder geht es bei Equisense um Anatomie. Das natürlich nicht nur, weil wir so gerne Bilder mögen (deshalb aber auch), sondern in erster Linie, weil sie uns einfach dabei hilft, unser Pferd zu verstehen.
In diesem Artikel werden wir uns mit 3 Arten von Sehnen (eine Verlängerung des Muskels bis zum Knochen) und Bändern (eine Verbindung zwischen zwei Knochen) beschäftigen:
- Die oberflächliche Beugesehne. Sie lässt sich gut ertasten, denn sie befindet sich gleich unter der Haut hinter dem Röhrbein.
- Die tiefe Beugesehne. Sie liegt hinter der oberflächlichen Beugesehne. Sie ist durch ein Unterstützungsband mit dem Karpalgelenk (Kniegelenk) verbunden und unterstützt dieses. Die tiefe Beugesehne reicht bis hinunter in den Huf.
- Der Fesselträger. Er teilt sich auf mittlerer Höhe des Röhrbeins und trägt zur Flexibilität des Fesselbeins bei.
Diese 3 anatomischen Strukturen kann man ganz leicht am Pferd ertasten. Versuch es am besten selbst einmal!
Die Sehne ist eine Art von Gewebe, das schon frühzeitig vollständig entwickelt ist (mit 2 Jahren). Das bedeutet, dass sie sich im Gegensatz zum Muskel, der durch regelmäßige Beanspruchung nach und nach gestärkt werden kann [1], nicht durch Beanspruchung anpassen lassen. Zum Glück sind Sehnen dennoch sehr belastbar, sie können einem Druck von bis zu 2000 kg standhalten [1]. Wird dieser Wert jedoch überschritten, können die Fasern der Sehnen beschädigt werden.
Das Besondere an den Gliedmaßen des Pferdes
Ist dir schonmal aufgefallen, dass bei Pferden der untere Teil der Gliedmaßen im Vergleich zu uns Menschen kaum Muskeln aufweisen? Tatsächlich haben sie stattdessen viele Sehnen und Bänder. Der Grund dafür ist, dass sich das Pferd im Laufe der Zeit an das viele Laufen angepasst hat. Seine Sehnen sind sehr voluminös und haben eine Besonderheit: sie sind mit sog. Nebenbändern versehen. Diese sind sehr leistungsstark und ermöglichen automatisierte Bewegungsabläufe [2]. Durch diese Bänder wird Energie eingespart, wodurch das Pferd an Geschwindigkeit gewinnt. Genau wie Muskeln sind sie sehr elastisch, dabei jedoch wesentlich leichter.
Liegt eine Sehnenentzündung (Tendinitis) vor, ist dieser Mechanismus jedoch eher von Nachteil, da das Pferd wegen der automatisierten Bewegungsabläufe keinen Einfluss auf die Belastung der Sehnen hat [1]. Außerdem werden angesichts seiner enormen Körpermasse die Sehnen des Pferdes, wenn es sich bewegt, und vor allem, wenn es läuft, stark belastet. Ist diese Belastung zu stark, kann ein Sehnenschaden auftreten.
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Welche Anzeichen für eine Tendinitis gibt es?
Tägliche Kontrolle
Zunächst einmal sollte man wissen, dass eine Sehnenentzündung, in der Fachsprache Tendinitis genannt, progredient verläuft, also mit der Zeit fortschreitet. Dabei ist die Symptomstärke oft subklinisch. Das bedeutet, dass in dieser Krankheitsphase die Ausprägung der Symptome zunächst unterschwellig ist, also nicht offensichtlich. In diesen Fällen kann der Einsatz von modernen Technologien (z. B. des Equisense Motion mit seinem Feature zur Anzeige der Symmetrie des Pferdes) ein wahrer Segen sein, um Probleme frühzeitig zu erkennen. Gerade im Fall einer Sehnenentzündung ist es wichtig, einzugreifen, bevor die Beschwerden sich verschlimmern. Sollte die Entzündung jedoch schon weiter fortgeschritten sein, spricht man von einer klinischen oder akuten Erkrankung.
Erste Warnsignale
Solltest du bei einer Palpation im Bereich der Sehnen eine Veränderung feststellen, z.B. dass die Stelle heiß ist oder dein Pferd bei der Berührung Schmerzen hat, dann sind das ernst zu nehmende Anzeichen. Daher sollte man diese Region regelmäßig abtasten. Das tut man am besten vor dem Reiten beim Striegeln und anschließend bevor man das Pferd zurück in seine Box stellt. Mit der Zeit lernt man, wie sich die Sehnen seines Pferdes im gesunden Zustand anfühlen und wird daher Veränderungen sofort bemerken. Solltest du erste Veränderungen feststellen, ist es wichtig, schnellstmöglich einen Tierarzt zu Hilfe zu holen. Du solltest auf keinen Fall warten, bis ein Lahmen auftritt. [3]
Das allseits gefürchtete Lahmen
Genauso sollte auch ein Lahmen ernst genommen werden, selbst wenn keine physischen Anzeichen eines Sehnenschadens feststellbar sind. Dies ist oft der Fall, wenn der Fesselträger oder die tiefe Beugesehne betroffen sind, denn diese lassen sich am wenigsten gut ertasten. Oft setzt das Lahmen auch zeitweise aus, sodass man sich manchmal sogar fragt, ob man es sich nicht einfach nur eingebildet hat. Auch wenn man die Ursachen für ein Lahmen nicht verallgemeinern kann, so lässt sich doch zumindest beobachten, dass es bei tiefem Boden und wenn es warm ist verstärkt auftritt. [3]
Achtung, dieser Fall ist tückisch:😮 Es kann vorkommen, dass dein Pferd einen Sehnenschaden an einem Vorderbein hat, aber dennoch auf dem anderen Vorderbein lahmt. Das kann der Falls sein, wenn an einem Bein eine Gelenkerkrankung (wie z.B. Arthrose) vorliegt, die Schmerzen und somit ein Lahmen verursacht. Das Pferd versucht also dieses Bein zu schonen, um Schmerzen zu vermeiden. Dabei wird das andere Vorderbein allerdings überlastet, was wiederum zu einer Tendinitis in diesem Bein führen kann. [1]
Mehr zum Thema: Arthrose beim Pferd – Ursache, Verlauf und Behandlung
Aber wie konnte es überhaupt zum Entstehen einer Tendinitis kommen?
Oft neigen wir dazu, uns selbst verantwortlich zu machen und uns zu fragen, ob man das Entstehen einer Sehnenentzündung nicht hätte verhindern können. Daher ist es gut zu wissen, dass es 3 mögliche Ursachen für eine Tendinitis gibt [1]:
- Sehnenerkrankung durch Überlastung: Sie tritt bei Pferden auf, die stark beansprucht werden. Hier liegt also ein Ungleichgewicht vor zwischen der Beanspruchung des Pferdes und der Fähigkeit seiner Sehnen, sich der Belastung anzupassen. Diese Art von Sehnenschaden heilt spontan ab, wenn das Pferd geschont wird.
- Degenerative Sehnenerkrankung: Sie tritt vor allem bei erwachsenen oder älteren Pferden auf. Die degenerative Entwicklung kann nicht aufgehalten werden, d.h. eine Heilung ist nicht möglich. Die Folge ist immer eine Veränderung der Fasern des Gewebes, was zu einem Verlust von Elastizität führt. Das Schonen des Pferdes kann in diesem Fall zwar die Symptome lindern, führt jedoch nicht zu einer vollständigen Genesung.
- Stellungsfehler: Manche Pferde weisen bestimmte Veränderungen im Körperbau auf, die die Entstehung einer chronischen Tendinitis durch Überlastung einer Gliedmaße begünstigen.
Trotz allem treten Sehnenschäden am häufigsten bei Sportpferden auf. Dabei neigen Pferde je nach Disziplin und Intensität zu unterschiedlichen Ausprägungen. Ein Pferd, das hauptsächlich in der Vielseitigkeit eingesetzt wird, hat beispielsweise eine Tendenz zu Problemen am Fesselträger oder der oberflächlichen Beugesehne. Pferde, die im Springsport eingesetzt werden, neigen ebenfalls zu Problemen an der oberflächlichen Beugesehne, aber auch am unterstützenden Band der tiefen Beugesehne. Freizeitpferde dagegen haben meist Beschwerden an der tiefen Beugesehne.
Was genau kann man also tun?
Es gibt so viele verschiedene Behandlungsmethoden einer Tendinitis, dass ich an dieser Stelle nicht im Detail auf alle eingehen kann, da man über diesen Aspekt alleine schon einen ganzen Artikel schreiben könnte. Aber eins sei gesagt: Eine Behandlung ist oft langwierig und alles andere als einfach. Sie muss an jedes Pferd individuell angepasst werden, da sich die Sehnen eines Pferdes und seine allgemeine körperliche Verfassung immer unterscheiden, wodurch auch die Genesung jedes Mal unterschiedlich verläuft.
An dieser Stelle dennoch ein paar Anmerkungen:
Erholung und Genesung
Die Behandlung der Wahl bei Tendinitis bleibt in jedem Fall, das Pferd zu schonen, dabei kann es je nach Fall auch schon genügen, die Anforderungen an das Pferd erheblich zurückzustellen. Die Frage nach der Länge dieser Schonungsphase ist umstritten. Eine englische Studie zeigt, dass ein angepasstes Programm zur Behandlung zu einer besseren Genesung führt als ein reines Schonen ohne jegliche Aktivität. So lasse sich auch das Rückfallrisiko senken [4,5]. Diese Überlegung sollte man also definitiv mit seinem Tierarzt besprechen.
Außerdem sollte man während der Genesung des Pferdes unbedingt darauf achten, dass es nicht zu viel an Gewicht zulegt! Dies kann bei der Wiederaufnahme des Trainings zu Problemen führen.
Bodenbeschaffenheit
Die Bodenbeschaffenheit ist extrem wichtig, da sie im Falle einer Tendopathie (eine nicht-entzündliche Erkrankung der Sehnen) direkte Auswirkungen auf die Genesung hat und dieser sogar vorbeugen kann.
Allgemein gilt hierbei, dass je mehr die Zehe (die Spitze des Hufs) in den Boden einsinkt, desto weniger werden die tiefe Beugesehne und das unterstützende Band belastet.
Umgekehrt bedeutet das, dass je weniger die Zehe in den Boden einsinkt, desto mehr werden der Fesselträger und die oberflächliche Beugesehne belastet.
Bei einer Tendinitis der tiefen Beugesehne sollte man daher also harten Boden meiden. Im Umkehrschluss sollte man daher, wenn der Fesselträger oder die oberflächliche Beugesehne betroffen ist, zu nachgiebigen Boden meiden.
Leider ist dies im Heimatstall nicht immer einfach umzusetzen, bei Turnieren kann man aber immer versuchen, den Boden sorgfältig auszuwählen (wir sprechen hier wohlgemerkt von auskurierten Pferden, bei denen einem Rückfall vorgebeugt werden soll).
Noch mehr Infos dazu: Welchen Unterschied der richtige Boden macht
Das richtige Bandagieren
Man kann ein Pferd bandagieren, um Ödeme in den Griff zu bekommen. Diese Art des Bandagierens darf allerdings nur bei Pferden angewendet werden, die nach dem Training zu Wassereinlagerungen neigen. Außerdem trägt sie in keinster Weise zur Vorbeugung von Tendinitis bei.
Es besteht auch die Möglichkeit, ein Pferd zu bandagieren, um die Erschütterung der Gliedmaßen zu verringern. Diese Erschütterung begünstigt nämlich das Wachstum der Blutgefäße. Die Bandagen haben also den Zweck, dem entgegenzuwirken. Diese Art des Bandagierens wird bei Pferden empfohlen, die sich in einem frühen Stadium der Tendinitis befinden, ein erhöhtes Wachstum von Blutgefäßen wirkt in diesem Stadium nämlich der Heilung entgegen. Bei chronischen Sehnenentzündungen ist davon jedoch abzuraten, da in diesem Fall ein Wachstum der Blutgefäße gewünscht ist.
Zusammenfassend, jedoch ohne allzu sehr ins Detail zu gehen, lässt sich also sagen, dass die Wahl der Behandlung vom jeweiligen Stadium der Erkrankung abhängig gemacht werden muss. Das bedeutet, dass eine subklinische nicht auf die gleiche Art und Weise wie eine akute oder schon länger bestehende Tendinitis behandelt werden sollte. Daher ist es umso wichtiger, den Rat eines Tierarztes zu einzuholen, der dank einer Ultraschalluntersuchung feststellen kann, welche Art von Sehnenschaden vorliegt und das Pferd dementsprechend behandeln kann.
Fazit
Die Tendinitis ist eine häufig auftretende, aber dennoch sehr komplexe Erkrankung, deren Behandlung nicht immer einfach ist, denn sie kann sich als erfolglos herausstellen und die Prognose hängt von zahlreichen Faktoren ab, wie z.B. der Art der Verletzung, der Aktivität und der Disziplin des Pferdes und beeinflusst somit die Dauer des Genesungsprozesses und die Wiederaufnahme des Trainings. Die Redensart „Vorsorge ist besser als Nachsorge“ bringt es denke ich auf den Punkt. Ich kann daher nur empfehlen, wirklich täglich auf die Bewegungen und den Zustand der Gliedmaßen des Pferdes Acht zu geben. Der Equisense Motion kann dir bei der Überwachung der Bewegungen deines Pferdes eine große Hilfe sein.
Bis zum nächsten Artikel!
Marine Slove
Tierärztin und Produktmanagerin bei Equisense