BEIM REITEN EINE WEICHE HAND BEIBEHALTEN
Viele Reiter haben die Gewohnheit, bewusst oder unbewusst eine harte Hand beim Reiten zu haben. Es ist schwierig, diese wieder loszuwerden, wenn sie sich einmal in das Unterbewusstsein verankert hat. Aber was bedeutet es, eine „weiche Hand“ beim Reiten zu haben?
Table des matières
- Möglichkeiten, die Hand beim Reiten zu schonen
- Was ist das Zügelmaß?
- Wie wird das Zügelmaß gemessen?
- Welche Kraft wirkt wirklich auf das Pferdemaul?
- Welche Werte sind für das Pferd eigentlich noch erträglich?
- Wann kann eine zu hohe Krafteinwirkung zum Problem werden?
- Unsere Tipps für eine weichere Hand beim Reiten
- Die Kommunikation zwischen Ihnen und Ihrem Pferd muss stimmen
- Fazit
Möglichkeiten, die Hand beim Reiten zu schonen
Die Ursprungsproblematik einer harten Hand ist die folgende:
- Die Zügelspannung ist zu hoch: der Reiter „zieht“ zu stark
- Keine lockere Haltung der Hände oder Arme: der Reiter ist wie erstarrt
Bei einer starren Haltung ist das Problem oft, dass der Reiter nicht mit den Bewegungen des Pferdes mitgeht. Dadurch ist das Pferd mit einer “harten” Hand konfrontiert, die seine Bewegungen beeinträchtigen.
Was ist das Zügelmaß?
Das Zügelmaß ist definiert als die Intensität der Verbindung zwischen Reiterhand und Pferdemaul. Das Zügelmaß ist also die Kraft, die aus den Bewegungen deiner Hände und dem Widerstand durch das Pferdemaul entsteht. Es wird durch die Länge der Zügel und auch durch die Positionierung der Hand verändert.
Wie wird das Zügelmaß gemessen?
Die Kraft, die wir auf die Zügel auswirken, kann mittels eines Zugsensors gemessen werden. [2] Es handelt sich dabei um einen kleinen Sensor, der zwischen dem Gebiss und den Zügeln angebracht wird. Die Spannung wird in Newton gemessen, 1 Newton entspricht etwa der Kraft, die durch 100g ausgelöst wird. Im Folgenden sind jedoch alle Angaben in kg, auch wenn dies eigentlich nicht ganz korrekt ist.
Mehr erfahren 📚 : Wie funktioniert ein Gebiss eigentlich
Welche Kraft wirkt wirklich auf das Pferdemaul?
Was glaubst du? 100 g? 500 g? 1 kg? 10 kg?
Manchmal auf jeden Fall zu viel…
Selbst Wissenschaftler sind sich hier nicht ganz einig. Zunächst einmal ist die Kraft von der Gangart abhängig. Im Schritt und im Trab übt man weniger Kraft auf die Zügel aus als im Galopp. Weitere Faktoren sind natürlich der Reiter selbst, die Disziplin und die Situation, z. B. Übergänge in eine andere Gangart. Die Werte variieren enorm, nämlich zwischen 1… und 80!
Im Trab liegen die Werte durchschnittlich bei etwa 0,5 kg, im Trab bei 2 kg und im Galopp bei 3 kg, und das pro Zügel! Aber sie können noch viel höher sein. Studien zeigen, dass Werte von bis zu 150 N, also 15 kg nicht ungewöhnlich sind, beim Durchparieren aus dem Galopp zum Halt bis zu 25 kg und bei Trabrennen sogar bis zu 40 kg! [2] [3] [4] [5] [6] [7] [8] [9]
…nicht konstant…
Neben den Durchschnittswerten spielt natürlich auch die Konstantheit eine Rolle. Selbst wenn wir denken, dass der Kontakt und das Zügelmaß konstant sind, kann genau das Gegenteil der Fall sein. Die Veränderungen treten oft nach demselben Schema auf und hängen stark von der jeweiligen Gangart ab. Die Abbildung zeigt Spannungskurven, die synchron zum Laufrhythmus des Pferdes verlaufen (im Schritt und im Trab 2 Spitzen pro Schritt und im Galopp 1 Spitze pro Sprung).
…und nicht symmetrisch!
Meinst du, deine Zügelführung ist konstant? Das ist wirklich schwer zu beurteilen. Denn oftmals täuscht man sich!
Tatsächlich denken die meisten Reiter, dass die Zügelführung ihren beiden Hände konstant sei. Die Grafik zeigt jedoch, dass das Gegenteil der Fall ist: Der Großteil von uns hat keine konstante Zügelführung auf beiden Zügeln und sie ist alles andere als symmetrisch. Unsere Pferde sind das übrigens auch nicht. Allerdings stört sie unsere asymmetrische Hilfengebung: Für Pferde ist es wesentlich angenehmer, wenn auf beide Zügel der gleiche, konstante Druck ausgeübt wird, als ein doppelt so starker Druck auf einem einzigen Zügel (klingt logisch). [2] [3] [6] [8] [10]
Betrachten wir also das Beispiel dieses professionellen Reiters, der ja eigentlich keine harte Hand haben sollte. Gemessen wurden etwa 7 Galoppsprünge. Es ist deutlich erkennbar, dass die Kurven bei jedem Galoppsprung in die Höhe schießen und dass die Werte der beiden Hände absolut nicht identisch sind. Und das obwohl der Reiter der Meinung war, seine Zügelführung sei konstant und symmetrisch!
Welche Werte sind für das Pferd eigentlich noch erträglich?
Auf diese Frage gibt es leider keine eindeutige Antwort. Man kann keinen exakten Grenzwert festlegen, ab dem die Spannung für das Pferd in jedem Pferd unangenehm ist. [8] [11]
Allerdings hat eine Wissenschaftlerin versucht, herauszufinden, welchem Druck sich Pferde quasi freiwillig, ohne Einfluss eines Reiters, aussetzen. Dazu hat sie an rohen Pferden, die also nicht an ein Gebiss im Maul gewöhnt sind, mit Ausbindern versehen und ihnen einen Eimer Futter bereitgestellt. Dann wurden die Werte gemessen, denen sich die Pferde ausgesetzt haben, um an das Futter zu gelangen. Dabei fiel auf, dass die Pferde sich am ersten Tag deutlich höheren Spannungen aussetzten (durchschnittlich 1,02 kg und maximal 4 kg) und dass die Werte im Laufe des Experiments abnahmen (an Tag 2 durchschnittlich 0,6 kg und an Tag 3 durchschnittlich 0,57 kg).
Dieser Versuch zeigt, dass Pferde versuchen, zu großen Druck zu vermeiden [11] und dass die Werte deutlich geringer sind als die, denen wir sie aussetzen…
Wann kann eine zu hohe Krafteinwirkung zum Problem werden?
Zunächst bereitet eine zu hohe Krafteinwirkung dem Pferd natürlich Schmerzen oder ist ihm zumindest unangenehm. Außerdem kann eine zu hohe Spannung auf den Zügeln den Lernprozess des Pferdes negativ beeinträchtigen, da es sich dabei um eine negative Verstärkung handelt.
Um dem Pferd beizubringen, was es tun soll (oder eben nicht tun soll), gibt es 2 Methoden: die positive und die negative Verstärkung. Bei der positiven Verstärkung belohnt man das Pferd, wenn es ein Kommando befolgt hat, indem man ihm z. B. ein Leckerli gibt oder es krault. Es soll die Belohnung und das Ausführen eines Kommandos miteinander in Verbindung bringen. Bei der negativen Verstärkung wird das Pferd einer unangenehmen Situation ausgesetzt, die sofort aufgelöst wird, sobald es das gewünschte Kommando ausgeführt hat. Das klingt natürlich erstmal alles andere als tierfreundlich, allerdings ist ein Beispiel für die negative Verstärkung sogar das Drücken der Wade an den Pferdebauch, um es anzutreiben. Sobald das Pferd vorwärts geht, wird der Druck zurückgenommen [12].
Es handelt sich bei einer zu starken Spannung auf den Zügeln also um eine negative Verstärkung. Das bedeutet, dass man sofort nachgeben muss, sobald das Pferd ein Kommando umgesetzt hat. Nur so kann das Pferd verstehen, was man von ihm erwartet. Möchtest du also, dass dein Pferd eine bestimmte Haltung einnimmt oder sich wendet, dann nimmst du die Zügel an und übst Spannung auf das Pferdemaul aus. Sobald das Pferd also diese Haltung eingenommen oder sich gewendet hat, musst du sofort nachgeben und die Spannung verringern. Tust du das nicht, kann das Pferd nicht verstehen, was du von ihm erwartest. Das Pferd wird folglich durch die dauerhaft hohe Spannung auf den Zügeln immer härter im Maul, woraufhin der Reiter mit immer gröber werdenden Hilfen reagiert. Du läufst also Gefahr, langsam aber sicher in einen Teufelskreis zu geraten.
Mehr erfahren 📚 : 10 Prinzipien der Verhaltensforschung, die Jeder Reiter kennen sollte
Unsere Tipps für eine weichere Hand beim Reiten
Die Kommunikation zwischen Ihnen und Ihrem Pferd muss stimmen
Wenn du Lust hast, den Heimwerker in dir zu entdecken, dann kannst du natürlich einen Zugsensor an den Zügeln befestigen und deine Ergebnisse anschließend auswerten. Abgesehen davon gibt es keine simple und wirklich Erfolg versprechende Lösung. Forscher aus Saumur, Frankreich, haben ein Gerät erfunden, das zur Messung der Hilfen, also der Spannung auf den Zügeln, dienen soll. Dieses Gerät ist aber leider nicht für den tagtäglichen Gebrauch geeignet und außerdem nicht käuflich zu erwerben.
Bis dahin bleibt also nur eine Möglichkeit: auf sein Gefühl hören und an einer sanfteren Zügelhilfen und einer weicheren Hand arbeiten. Dabei solltest du dir folgende Frage stellen: Wie weich ist meine Zügelführung auf einer Skala von 1 (sehr weich) bis 10 (hart)? Könnte ich das gleiche Ergebnis auch mit einer 9 anstelle einer 10 erzielen?
Außerdem solltest du niemals vergessen, dass dein Pferd dir jede Menge Signale sendet! Und einige davon solltest du auf jeden Fall ernst nehmen [8]. Sollte dein Pferd z. B. das Maul aufreißen, mit den Zähnen knirschen, die Zunge über das Gebiss legen, zur Seite herausstrecken oder sie sogar hochziehen, dann sind das definitiv Anzeichen dafür, dass deine Hand zu hart ist. Du solltest in diesem Fall unbedingt an deiner Zügelführung arbeiten.
Fazit
Das Zügelmaß ist also ein äußerst wichtiger Aspekt im richtigen und verständnisvollen Umgang mit dem Pferd. Ganz zu schweigen davon, dass eine sehr grobe Zügelführung natürlich nicht gut für das Wohlbefinden des Pferdes ist.
Mir ist leider kein Wundermittel bekannt, um von einem Tag auf den anderen eine extrem weiche Hand zu bekommen. Allerdings sind ein qualifizierter Reitlehrer, eine Menge Geduld und Losgelassenheit auf jeden Fall die richtigen Voraussetzungen. Lass dich nicht entmutigen, das Körpergefühl ist etwas, an dem sich gut arbeiten lässt. Also dann, viel Erfolg!
Camille Saute
R&D-Managerin bei Equisense
Toller Artikel!
Mir fehlen nur ein paar Sachen. zb die weiche Hand (gerade eben nur das sanfte Festhalten des Zügels, als Release) und die ruhige Hand (Das Mitgehen der Handposition mit dem Pferdemaul statt das Verharren der Hände an Ort und Stelle) und die Auswirkungen der Bewegung der Hand (rückwärts ziehend statt Fingerspitzen hoch drehend, Schwamm Auspressen statt langsame Schließen zu einer Faust, Hände nach links oder rechts weisend, innere Hand langsam erhebend und die äußere nach außen weisend und mit kaum Kontakt)….
Hallo Laura,
danke für dein Feedback. In der Tat man könnte noch ganz viele weiter Dinge zu dem Artikel hinzufügen.
Ich behalte deine Ideen im Hinterkopf für einen neuen Blog-Artikel 🙂
Liebe Grüße
Sina
– Equisense –
Die starke Hand ebenso wie eine steife Haltung im Sattel respektive die Verbesserung dieser Fehler kann ich wunderbar an der Tendenz der Noten des Sensors ablesen. Insbesondere die Taktreinheit, aber auch die Aufrichtung reagieren sehr positiv auf einen losgelassenen Sitz und eine leichte Hand. Dabei muss allerdings bedacht werden, dass die Selbsthaltung und Balance des Pferdes natürlich auch eine Frage der gebildeten Muskulatur und der erlernten Technik des Pferdes ist. Wichtig ist dabei, dass das Pferd NUR durch eine feine Hand/Sitz in die Haltung gebracht werden kann, wo die Muskulatur und die Koordination positiv beeinflusst werden – während eine starke… Weiterlesen »