Wie sehen Pferde und welche Auswirkungen das auf das Springreiten hat
Viele Reiter haben dasselbe Problem: Sie schaffen es nicht ihr Pferd dazu zu bringen, über ein rotes Hindernis zu springen. Und weißt du was? Das Ganze hat einen Grund. Wusstest du, dass Pferde die Farbe rot nicht sehen und dass sie bei Nacht genauso gut sehen wie Katzen? In diesem Artikel geht es um die Frage: wie sehen Pferde?
Table des matières
1. Wie funktioniert das Auge?
Hier eine Abbildung der Anatomie des Auges.
Das Auge des Pferdes ähnelt in der Struktur dem des Menschen.
Die Hornhaut und die Linse funktionieren wie zwei optische Linsen, die das Außenlicht einfangen, es konzentrieren und als Bild auf der Netzhaut abbilden. Die Netzhaut ist mit vielen unterschiedlichen und sensiblen Lichtsensoren übersät. Die Iris, der farbige Teil des Auges, reguliert die Menge des einfallenden Lichts, indem sie sich zusammenzieht oder erschlafft. Zu diesem Zeitpunkt ist das Bild noch auf dem Kopf. Es wird über den Sehnerv ans Gehirn geleitet, wo es richtig herum gedreht wird.
2. Inwiefern sehen Pferde anders als wir Menschen?
Die Sicht des Menschen und des Pferdes unterscheiden sich in zwei wesentlichen Punkten.
Der erste Unterschied besteht in der Form der Pupille, die beim Pferd länglich und horizontal ist. Bei Katzen zum Beispiel ist die Pupille vertikal und beim Menschen rund. Das Pferd hat durch die längliche Pupillenform einen Rundumblick.
Der zweite Unterschied steht in Verbindung mit den Lichtsensoren. Es gibt verschiedene Arten von Sensoren: die Stäbchen und die Zapfen. Die Stäbchen sorgen dafür, dass du auch bei wenig Licht etwas sehen kannst. Sie können auch bei schlechten Lichtverhältnissen ein Bild erzeugen. Dieses Bild besteht jedoch lediglich aus Grautönen. Um Farbe ins Spiel zu bringen, brauchen wir die Zapfen. Es gibt drei verschiedene Arten von ihnen: einige von ihnen, fangen das rote Licht ein, einige das blaue und andere das grüne. Durch das Zusammenspiel dieser drei Zapfenarten können wir eine ganze Palette von Farben sehen. Dem Pferd hingegen fehlen diese roten Zapfen (es hat eine dichromatisches Farbsehen) und es verfügt über mehr Stäbchen als der Mensch.
Mehr zur Sinneswahrnehmung des Pferdes: Die 5 Sinne des Pferdes
3. Kann das Pferd wirklich hinter sich schauen?
Fast! Die Tatsache, dass sich seine Augen an der Seite seines Kopfes befinden, sorgt dafür, dass es sehen kann, was um es herum geschieht.
Es hat jeweils ein Auge auf der rechten und linken Seite, um zu sehen was auf der jeweiligen Seite geschieht. Wenn es geradeaus schaut, nutzt es beide Augen. Eine Reliefwahrnehmung ist nur möglich, wenn es mit beiden Augen sieht. Versuche es selbst einmal. Schließe ein Auge und versuche, einen Gegenstand vor dir zu ergreifen. Es ist möglich, aber viel schwieriger als wenn beide Augen geöffnet sind. Dir fehlt die 3D-Ansicht. Das Pferd sieht also nur innerhalb eines kleinen Bereiches von 60-65° in 3D.
Seine toten Winkel befinden sich unter seinem Körper, vor seinem Nasenrücken (du kannst es in ein Einhorn verwandeln und es würde es nicht einmal bemerken…), hinter seiner Kruppe und der Bereich bis circa 1,20m vor seinen Vorderbeinen (je nach Kopfhaltung). Das bedeutet, dass das Pferd bei seinen letzten Schritten vor einem Hindernis, nicht einmal mehr sieht, worüber es springen soll!
Es hat außerdem eine “niedrige” und horizontale Sichtweise. Das bedeutet, dass es, im Gegensatz zu uns, nicht sieht, was über ihm geschieht. Es sieht ungefähr so, wie wenn wir einen Helm tragen. Es hebt daher den Kopf, wenn es etwas hört oder wahrnimmt!
4. Wie sehen Pferde Farben?
Wie ich bereits zuvor erwähnt habe, hat das Pferd ein dichromatisches Farbsehen. Es kann die Farbe rot nicht sehen. Es leidet also unter einer Art Rotblindheit!
Diese Blindheit beeinträchtigt die Wahrnehmung aller Farben. Das Pferd nimmt Farben als Pastelltöne zwischen braun, gelb, blau und grau wahr. Beim Menschen nennt man das Protanopie. Das Pferd sieht also folgendes:
5. Sieht das Pferd gut bei Nacht?
Ja! Da das Pferd mehr Stäbchen als der Mensch besitzt, sieht es viel besser in der Nacht als wir; fast genau so gut wie eine Katze. Im Vergleich zu uns Menschen und den Katzen hat es jedoch den großen Nachteil, dass es sich weniger gut an verändernde Lichtverhältnisse anpassen kann. In der Natur gehen diese Veränderungen durch den Sonnenaufgang und -untergang langsam von statten. Es braucht daher 20 bis 30 Minuten, um sich an die Dunkelheit zu gewöhnen. Wenn du also versuchst, dein Pferd in deinen Anhänger oder in eine dunkle Box zu führen, sieht es zunächst nur ein schwarzes Loch! (Nicht cool)
6. Worauf muss ich beim Reiten also achten?
All diese Faktoren spielen natürlich eine Rolle beim Reiten und sollten daher beachtet werden.
Das horizontale und “niedrige” Sichtfeld erklärt, warum das Pferd beim Springen seinen Kopf hebt. Ein geführtes Pferd sieht also fast nur den Boden. Wenn es seinen Kopf dabei noch weiter senkt, sieht es sogar nur seine Vorderbeine. Es ist also schwierig für das Pferd, über ein Hindernis zu springen. Es kann sogar passieren, dass es das Hindernis einfach umrennt.
Ich habe versucht, ein Video für dich aufzunehmen, in dem ich ein kleines Hindernis überspringe – einmal in “normaler” Position und einmal mit “gesenktem” Blick; das Ganze jedoch ohne Erfolg! Du kannst es ja selbst einmal ausprobieren 😉
Aufgrund der “niedrigen” Sichtweise des Pferdes sagt man auch, dass eine geführte Position, die Unterwürfigkeit des Pferdes steigert, da es keine andere Wahl hat, als sich auf die Sicht des Reiters zu verlassen.
Falls du ein einäugiges Pferd hast, solltest du beachten, dass das Pferd keine 3D-Sicht hat. Es kann somit weniger gut den Abstand zum Hindernis einschätzen und beim Anreiten eines Hindernisses direkt nach einer Kurve auf seiner blinden Seite, sieht es das Hindernis nur in letzter Minute! Du wirst zudem bemerken, dass die Sprünge auf dieser Hand weniger genau sind als auf der anderen (viele kleine oder lange Schritte).
Ich hoffe, dass du nun den Durchblick hast (kleines Wortspiel 😉 ), wenn es um die Sicht der Pferde geht, und dass du diese Besonderheit des Pferdes bei deinem Trainings beachtest.
Alice Martinez & Camille Saute
Ingenieure R&Manager bei Equisense
Ein sehr interessanter Artikel und manchmal sogar recht witzig geschrieben (Einhorn). Vielleicht stehen deshalb so viele Pferde lange Zeit vor dem Hänger und schauen, bis sie endlich hineingehen: sie warten, bis sich ihr Auge an die Dunkelheit im Hänger gewöhnt hat und sehen, wo sie hineingehen sollen!
Ja in der Tat! 🙂
Danke für deinen Kommentar!
Liebe Grüße
Sina