7 Dinge, die man über Kehlkopfpfeifen beim Pferd wissen sollte
„Was ist denn das für ein Geräusch?“ Das ist die erste Frage, die man sich stellt, wenn man zum ersten Mal das für das Kehlkopfpfeifen charakteristische Rohren hört, das etwas an eine Lokomotive erinnert. Dieses Geräusch ist für Pferdebesitzer ziemlich beunruhigend. Aber was genau hat es mit dem Kehlkopfpfeifen eigentlich auf sich? Was sind die Ursachen? Stellt es für das Pferd ein Handicap dar? Und was kann man dagegen unternehmen? Wir helfen euch weiter!
Table des matières
- #1 – Kehlkopfpfeifen: Definition
- #2 – Pferde können nur durch die Nase atmen – und das ist ein Problem!
- #3 – Es gibt verschiedene Arten von Kehlkopfpfeifen, die man am Geräusch erkennen kann!
- #4 – Kehlkopflähmung, die häufigste Ursache für Kehlkopfpfeifen beim Pferd
- #5 – Die Verlagerung des Gaumens, eine weitere der bekannten Ursachen
- #6 – Was kann man gegen das Kehlkopfpfeifen unternehmen?
- #7 – Achtung, Ohren auf beim Pferdekauf
#1 – Kehlkopfpfeifen: Definition
Beim Kehlkopfpfeifen handelt es sich um eine Erkrankung der Atemwege, die durch eine Verformung oder eine Lähmung bestimmter Teile des Respirationstrakts hervorgerufen wird.
Dabei ist das Geräusch, das beim Kehlkopfpfeifen entsteht, nicht das eigentliche Problem. Es ist nur eines der Symptome. Pferde können nur durch die Nase atmen, wodurch ihre Atemkapazität beträchtlich eingeschränkt ist. So wird der Respirationstrakt für das Sportpferd oft zum Problem.
Funktioniert der Atemtrakt des Pferdes nicht zu 100 %, lässt die Leistungsfähigkeit deutlich nach.
Mehr dazu: 6 Dinge, die man über das Atmungssystem des Pferdes wissen sollte
#2 – Pferde können nur durch die Nase atmen – und das ist ein Problem!
Anders als wir Menschen können Pferde nicht sowohl durch die Nase als auch durch den Mund atmen, sondern nur durch die Nüstern.
Schauen wir uns erst einmal an, wie genau Pferde eigentlich atmen, damit wir auch das Kehlkopfpfeifen besser verstehen können.
Ein realitätsgetreuer Querschnitt wäre zu komplex, deshalb schauen wir uns ein vereinfachendes Schema an. Hier sehen wir in stark vereinfachter Fassung, wie der Atemtrakt eines Pferdes aufgebaut ist.
Er besteht aus:
- der Nasenhöhle, also dem Naseninneren
- der Mundhöhle, also dem Mund
- dem harten Gaumen, der die beiden trennt
- dem Rachen, der den Schnittpunkt zwischen Atemweg und Verdauungstrakt darstellt
- der Speiseröhre, durch die die Nahrung geleitet wird
- der Luftröhre, durch die die Luft strömt
- dem Kehlkopf, einem kleinen Organ aus Knorpel, das den Rachen mit der Luftröhre verbindet. Er beschützt außerdem die Stimmbänder, dank denen das Pferd wiehern kann!
- dem weichen Gaumen, der die Funktion einer „Klappe“ oder eines Ventils hat
Das Besondere beim Pferd ist, dass der weiche Gaumen im Vergleich zu unserem sehr lang ist. Er kann also den Weg vom Mund zur Luftröhre verschließen. Da der weiche Gaumen bei uns viel kürzer ist, können die Mundhöhle und die Luftröhre miteinander kommunizieren. Nur deshalb können wir durch den Mund atmen.
Der Kehlkopf, Eingang zur Luftröhre
Schauen wir uns nun den Kehlkopf genauer an, und zwar vor allem von oben! Stellt euch vor, ihr befindet euch im Rachen und bewegt euch in Richtung Luftröhre. Das würde in etwa so aussehen:
Der Kehlkopf (hier in grün) besteht aus zwei Knorpeln: den Stellknorpeln (Aryknorpel) und dem Kehldeckel (Epiglottis).
Die beiden Stellknorpel können bei Entspannung und Anspannung der Muskeln schwingen. Sie werden in der Abbildung als Türen dargestellt. Wenn die Türen sich öffnen, kann die Luft in die Luftröhre strömen.
Am lebenden Objekt sieht das so aus:
Und wie kann das Pferd so essen?
Ihr habt es euch wahrscheinlich schon gedacht: Die Nahrung muss ebenfalls durch den Rachen, um dann die Speiseröhre zu durchqueren und schließlich in den Magen zu gelangen.
Wenn das Pferd frisst und schluckt, hebt sich der weiche Gaumen an, um die Nahrung durchzulassen. Gleichzeitig schließt der Eingang der Luftröhre sich mithilfe des Kehlkopfs, sodass die Nahrung nicht „in den falschen Hals“ gelangt. Die Nahrung durchquert nun also die Speiseröhre.
Wann wird es problematisch?
Das Problem liegt darin, dass der weiche Gaumen des Pferdes so lang ist. Anders als wir Menschen können Pferde bei großer körperlicher Anstrengung nicht durch den Mund atmen, um den Atemfluss zu erhöhen.
Außerdem ist der Atemtrakt des Pferdes gemessen an seiner Größe und seinem Gewicht sehr schmal. Das führt beim Durchströmen der Luft durch die Atemwege zu einem großen Widerstand.
Zur Veranschaulichung: Der Radius der „Rohre“ wird durch 2 geteilt, während der Widerstand beim Luftstrom mit 10 multipliziert wird, vor allem beim Einatmen. Ist der Luftstrom nur minimal gestört, ist das beim Pferd daher bereits problematisch.
Schon die Lungen schränken das Pferd bei hoher Belastung ein. Funktioniert die Luftzirkulation nun auch nicht optimal, dann ist die Leistungsfähigkeit stark eingeschränkt.
Da die Atemwege als Klangkörper dienen, wird das Geräusch auch noch verstärkt. Der Widerstand beim Durchströmen der Luft wird unter bestimmten Umständen, wie zum Beispiel beim Training, hörbar. Das ist das erste Anzeichen von Kehlkopfpfeifen.
#3 – Es gibt verschiedene Arten von Kehlkopfpfeifen, die man am Geräusch erkennen kann!
Es gibt verschiedene Arten von Kehlkopfpfeifen abhängig davon, welche Region betroffen ist. Der Kehlkopf, das Gaumensegel (der weiche Gaumen), der Rachen, die Nüstern … Je nachdem, wo das Kehlkopfpfeifen herkommt, entsteht auch ein anderes Geräusch!
Das jeweilige Geräusch ist dabei meist gut erkennbar, auch wenn es an Intensität und in der Klangfarbe variieren kann. Man hört es vor allem bei körperlicher Anstrengung, also im Trab und im Galopp, wenn das Pferd schneller und schwerer atmet, um seine Leistungsfähigkeit zu erhöhen.
Wenn man dann genau hinhört, kann man ausmachen, wo das Kehlkopfpfeifen herkommt. Dafür muss man aber ziemlich gute Ohren haben.
- Pfeifen: hohes/schrilles Geräusch beim Einatmen verursacht durch eine Verstopfung des Rachens
- Brummen: tiefes Geräusch beim Einatmen verursacht durch eine Verletzung der Nase
- Röcheln: tiefes, kurzes Geräusch verursacht durch eine Verletzung der Stellknorpel
- Grunzen: kurzes, vibrierendes Geräusch verursacht durch eine Verletzung des Gaumens
Darüber hinaus gibt es eine Vielzahl an Erkrankungen (mit barbarischen Namen), die ebenfalls ein Kehlkopfpfeifen hervorrufen können:
- eine laryngeale Dysplasie
- eine Entzündung der Stellknorpel
- Zysten unterhalb des Kehldeckels
- eine lymphoide Hyperplasie im Rachen
- etc.
In diesem Artikel möchten wir nur auf die zwei häufigsten Formen eingehen: die Kehlkopflähmung und die Dorsalverlagerung des Gaumensegels.
#4 – Kehlkopflähmung, die häufigste Ursache für Kehlkopfpfeifen beim Pferd
Die Kehlkopflähmung (auch hemiplegia laryngis oder RLN für recurrent laryngeal neuropathy) ist das am häufigsten diagnostizierte Kehlkopfleiden.
Dabei ist der Nerv, der für die Beweglichkeit quasi aller Muskeln des Kehlkopfs verantwortlich ist, beeinträchtigt. Dadurch verkleinert sich der Muskel, der die „Türen des Kehlkopfs“ offen halten soll. Zur Erinnerung: Wir haben uns das Ganze angeschaut, als es um die Stellknorpel ging.
Von diesem Nerv gehen sowohl rechts als auch links ein Nervenstrang ab. Auf der Seite, auf der der Nervenstrang beeinträchtigt ist, öffnet sich die „Kehlkopftür“ nicht mehr vollständig, wenn das Pferd einatmet [3]. Das sieht dann wie folgt aus:
Auf diesem Bild kann man gut sehen, dass die beiden Stellknorpel nicht symmetrisch sind. Der Knorpel auf der linken Bildseite scheint höher zu sein. Der rechte Stellknorpel (vom Pferd aus links) ist abgesenkt.
In diesem Video sieht man den Unterschied ebenfalls gut:
Das Problem ist immer … links!
In über 90 % der Fälle liegt das Problem links. Man weiß zwar nicht genau, warum das so ist, aber es gibt zumindest eine Reihe von Hypothesen. Der rückläufige Kehlkopfnerv (Nervus laryngeus recurrens) ist in zwei Nervenstränge unterteilt. Einer verläuft nach rechts und der andere nach links. Es handelt sich um die längsten Nervenstränge des ganzen Organismus. Der linke Strang ist noch länger als der rechte: Seine durchschnittliche Länge beträgt 250 cm, das sind etwa 30 bis 40 cm mehr als beim rechten Strang.
Die beiden Stränge haben nicht den gleichen Verlauf und man geht daher davon aus, dass die Lähmung deshalb häufiger auf der linken Seite auftritt. Man nimmt an, dass der linke rückläufige Kehlkopfnerv stärker beansprucht wird, wenn das Pferd den Hals bewegt.
Symptomfreiheit während der Ruhephasen
Der Großteil der betroffenen Pferde hat in den Ruhephasen keinerlei klinische Krankheitsanzeichen (abgesehen davon, dass manche der betroffenen Pferde eigenartig wiehern). Allerdings kann man bei ihnen ein Rohren/Brummen beobachten, das ab einem bestimmten Grad der Anstrengung auftritt und progressiv zunimmt, wenn dieser gesteigert wird.
Das Problem liegt darin, dass das Pferd dadurch den Spaß an der Arbeit verliert und bei Wettbewerben schwächere Leistungen hervorbringt. Stell dir vor, dir würde der Mund zugehalten und ein Nasenloch verstopft werden. Und dann müsstest du joggen. Eher unpraktisch …
Was sind die Ursachen für diese Lähmung?
Es gibt eine Vielzahl von Ursachen [3]:
- Eine davon ist die Folge einer reizenden periphervenösen Injektion, 💉 wenn das Produkt auf der Jugularvene verteilt wurde. Wie das? Weil das Produkt den rückläufigen Kehlkopfnerv reizen kann. Das ist die häufigste Ursache der rechtsseitigen Kehlkopflähmung [2]
- Luftsackmykose
- eine Verletzung oder ein Tumor am Kopf
- eine Vergiftung
- Komplikationen bei einer Vollnarkose Bei chirurgischen Eingriffen kann es nämlich unter Umständen zu einer Überstreckung oder einer ungünstigen Positionierung des Halses kommen.
- Idiopathisch! Tierärzte lieben dieses Wort: Es bedeutet ganz einfach, dass die Ursachen für eine Erkrankung nicht bekannt sind.
#5 – Die Verlagerung des Gaumens, eine weitere der bekannten Ursachen
Die dorsale Verlagerung des Gaumensegels ist insbesondere bei Turnierpferden eine recht häufig auftretende Erkrankung.
Was genau passiert in diesem Fall?
Das Gaumensegel geht über den Kehldeckel hinaus und beginnt zu „flattern“.
Dadurch funktioniert die „Dichtung“ zwischen Atem- und Verdauungstrakt nicht mehr richtig. In diesem Fall kann das Pferd tatsächlich durch den Mund atmen! Beim Ausatmen strömt die Luft unter dem Gaumensegel hindurch zur Mundhöhle, wo sie dann ausgestoßen wird. [3]
Welche Symptome gibt es?
Die Symptome lassen sich bei intensiver körperlicher Betätigung des Pferdes feststellen. Besonders beim Ausatmen kann man ein brummendes Geräusch hören, das etwas an eine Kröte erinnert. Betroffene Pferde atmen manchmal sogar durch den Mund aus. Diese Pferde versuchen oft, sich körperlicher Anstrengung zu entziehen.
Allerdings kommt es auch vor, dass die Verlagerung bei manchen Pferden nur in Ruhephasen auftritt und beim Training nicht. In diesem Fall ist die Dorsalverlagerung des Gaumensegels nicht weiter störend.
Was sind die Ursachen?
Es gibt verschiedenen mögliche Ursachen für die dorsale Verlagerung des Gaumensegels. Es handelt sich dabei eher um ein neurologisches als um ein anatomisches Problem.
Die Hauptursache ist eine Fehlfunktion der Muskulatur, die durch eine Lähmung des weichen Gaumens hervorgerufen wird. Der weiche Gaumen erschlafft und geht in manchen Fällen über den Kehldeckel hinaus.
Um die Krankheitssymptome zu lindern, muss das Reiten in Hyperflexion (Rollkur) unbedingt eingestellt werden. Diese Position begünstigt nämlich die Verlagerung des weichen Gaumens.
#6 – Was kann man gegen das Kehlkopfpfeifen unternehmen?
Um einen Besuch beim Tierarzt führt kein Weg vorbei, wenn dein Pferd geräuschvoll atmet. Nur er oder sie wird in der Lage sein, eine gründliche Untersuchung durchzuführen und gegebenenfalls weitere Untersuchungen in die Wege zu leiten, um eine eindeutige Diagnose stellen zu können. Die Diagnose wird mithilfe einer Laryngoskopie gestellt. Es handelt sich um eine Endoskopie des Kehlkopfs. Dazu wird eine kleine Kamera in die Nüstern des Pferdes geschoben. Dann beobachtet der Arzt, was in der Ruhephase und bei Belastung passiert.
Es gibt einige Behandlungsmöglichkeiten, allerdings sind sie teilweise nicht ganz ohne. Bei einer Kehlkopflähmung kann sogar eine Operation nötig sein. Es gibt mehrere Verfahren mit dem Ziel, die Abduktion des Stellknorpels permanent sicherzustellen, damit die Luft in die Luftröhre gelangen kann. Es gibt immer mehr neue Verfahren, wie zum Beispiel die Transplantation des Kehlkopfnervs.
#7 – Achtung, Ohren auf beim Pferdekauf
Ursprünglich gehörte das Kehlkopfpfeifen zu den sogenannten Gewährsmängeln. Heute können auch andere Arten von „Sachmängeln“ am Pferd Grund für ein Zurücktreten vom Kaufvertrag sein. Unter bestimmten Umständen kann Schadenersatz gefordert werden. Das ist aber eine sehr komplizierte Angelegenheit und gegebenenfalls sollte ein Anwalt eingeschaltet werden.
Wie immer beim Pferdekauf gilt also: besser Vorsicht als Nachsicht. Lass am besten eine Ankaufsuntersuchung vom Tierarzt deines Vertrauens vornehmen, mach dich so vertraut mit dem Pferd wie es nur geht und mach einen Proberitt (oder longier das Pferd zumindest), sodass du die möglichen Anzeichen des Kehlkopfpfeifens erkennen kannst.
Ein weiterer der Gewährsmängel: das Lungenemphysem –> 8 Dinge, die man über Dämpfigkeit wissen sollte
Bis bald zu einem neuen Artikel,
Marine Slove
Bibliographie
[1] C. Menard, “Etude bibliographique comparée de la physiologie du coureur de fond et du cheval d’endurance : système cardiorespiratoire”,Thèse pour le doctorat vétérinaire, VetAgro Sup, 2014.
[2] A. Couroucé-Malblanc, “Le cornage : origine, diagnostic et traitement”, Equirencontres, Deauville 2016. [En ligne]. Disponible sur La Chaîne Santé: http://www.dailymotion.com/video/x51255u
[3] A. Virilli, « Principales affections pharyngées et laryngées chez le cheval de course : prévalence, facteurs de risque et impact sur les performances », Thèse pour le doctorat vétérinaire, ENVT, 2015.
[4] E. Manguin, “Etude de la prise en charge des affections respiratoires à l’origine de contre-performance chez le cheval trotteur”,Thèse pour le doctorat vétérinaire, VetAgro Sup, 2016.
[5] F. Grosbois, “La vente – Vices rédhibitoires”, Equipaedia 2014. [En ligne] Disponible sur : http://www.haras-nationaux.fr/information/accueil-equipaedia/reglementation/vente/vices-redhibitoires.html [Consulté le: 06-sept-2017]