So stärkst du die Muskulatur der Hinterhand Deines Pferdes!
Jeder Reiter wünscht sich eine starke Hinterhand bei seinem Pferd. Wir zeigen dir heute wie es geht.
Nach der Muskulatur von Hals, Brust und Rücken fehlt nun noch die Hinterhand. Und genau um die geht es in diesem Artikel.
Table des matières
#1 – Gemeinsamkeiten zwischen Pferd und Mensch
Zuerst einmal die Grundlagen der Anatomie und einem kleinen Vergleich zwischen Pferd und Mensch.
Wir sind uns nämlich ähnlicher als man vielleicht denkt. Allerdings sind die Proportionen anders und dadurch, dass sie Vierbeiner sind, ist ihr Becken anders ausgerichtet als unseres.
Man kann sich das so vorstellen: Das Sprunggelenk des Pferdes ist unsere Ferse.
#2 – Der Spannsägemechanismus
Das Pferd verfügt allerdings über eine anatomische Besonderheit, nämlich die “Spannsägekonstruktion”.
Es handelt sich dabei um ein System von Sehnen und Bändern, das nur eine gleichsinnige Bewegung von Knie-, Sprunggelenk und Fesselkopf erlaubt.
Der Musculus fibularis tertius verbindet verbindet den unteren Teil des Oberschenkels mit mit dem Röhrbein. Der Oberflächliche Zehenbeuger verläuft vom Oberschenkel über das Sprunggelenk bis zur Fessel.
Der oberflächliche Zehenbeuger wird auch als Musculus flexor digitalis bezeichnet. Er ist Teil der Achillessehne, auch Tendo calcaneus communis oder gemeinsamer Fersensehnenstrang genannt.
Da die oben erwähnten Strukturen alle relativ starr sind, wird beim Anziehen des Kniegelenks automatisch das Röhrbein nach oben gezogen und das Sprunggelenk wird angewinkelt. Und weil das Sprunggelenk angezogen ist, bewegt sich die Fessel nach hinten, wodurch der Fesselkopf ebenfalls gebeugt wird wird.
In der Streckung handelt es sich um das gleiche Prinzip.
Es ist ähnlich, wie wenn du in die Knie gehst und sich deine Fußspitzen automatisch nach oben bewegen, wodurch deine Zehen sich anziehen.
Unter dem Sprunggelenk hat das Pferd übrigens keine Muskeln. Wir Menschen hingegen haben besonders viele Muskeln an der Fußsohle, um unsere Zehen bewegen zu können.
Die Vorteile
Dieser Mechanismus hat sich entwickelt, damit das Pferd schneller laufen kann. Das Pferd kann die gesamten Gelenke des unteren Teils seiner Hinterhand nur mithilfe der Oberschenkelmuskeln bewegen. Auf diese Weise spart das Pferd jede Menge Energie ein und kann somit schneller laufen.
#3 – Warum ist die Hinterhand unterschiedlich geformt?
In den anderen Artikeln zum Muskelaufbau haben wir uns eher weniger mit der Optik der Muskeln beschäftigt, aber bei der Hinterhand ist diese deutlicher zu erkennen als bspw. bei der Schulter. Daher an dieser Stelle eine kurze Erklärung, warum manche Pferde eine flache, abfallende und andere eine pralle, runde Kruppe haben.
Dieses Erscheinungsbild hängt von dem Aufbau von Kreuzbein, Becken und Oberschenkel ab. Je nach Länge und Neigungswinkel dieser Körperpartien verändert sich der Bewegungsapparat und auch die Bewegungsqualität des Pferdes. Je nach Körperbau kann es einfacher oder schwieriger sein, die Hinterhand des Pferdes zu bemuskeln.
Die gute Nachricht ist aber, dass, auch wenn die Ergebnisse manchmal länger auf sich warten lassen, die Vorgehensweise immer die gleiche ist.
#4 – Die Muskeln der Hinterhand
Die Muskeln der Hinterhand können in 3 Gruppen eingeteilt werden:
- die Muskeln der Hüfte und des Beckens
- die Oberschenkelmuskeln
- die Beinmuskeln
Die Muskeln der Hüfte
Diese Muskeln ermöglichen die Bewegung des Oberschenkels. Am besten sichtbar sind die Muskeln, die die Form der Kruppe ausmachen. Zu ihnen gehören der Musculus gluteus medius und der Musculus gluteus superficialis. Sie verlaufen vom oberen Bereich der Lendenwirbel bis zum Oberschenkel. Sie ermöglichen das Strecken der Hüfte, also das Rückwärtsrichten der Hinterbeine).
“Beim Pferd ist er [der Musculus gluteus medius] der effektivste Streckmuskel des gesamten Organismus und das entscheidende Element für den Schwung und beim Abreiten.” Jean-Marie Denoix
Diese beiden Muskeln erfüllen außerdem die Funktion von Abduktoren. Das bedeutet, dass sie das Setzen der Hinterbeine nach außen ermöglichen.
Das Beugen der Hüfte wird durch den Musculus iliopsoas ermöglicht.
“[…] Dieser Muskel ist entscheidend für die Beugung der Hüfte. Er ermöglicht die Aktivierung der Hinterhand.” Jean-Marie Denoix
Die Oberschenkelmuskeln
Diese Muskeln lassen sich noch einmal in 3 Gruppen teilen: die kaudalen und kranialen Oberschenkelmuskeln und die Gesäßmuskeln. Die kranialen Muskeln befinden sich vor dem Oberschenkel und ermöglichen das Beugen der Hüfte und das Strecken des Sprunggelenks. Dazu gehören unter anderem der Musculus quadriceps femoris / Vierköpfiger Oberschenkelmuskel.
Die kaudalen Oberschenkelmuskeln liegen hinter dem Oberschenkel. Bei etwas “drahtigeren” Pferden sieht man diese Muskeln gut. Vereinfacht gesagt ermöglichen sie die Bewegung des Sprunggelenks und der Hüfte.
Enfin, les fémoraux médiaux sont à l’intérieur de la cuisse. Ce sont eux qui jouent le rôle d’adducteur et qui ramènent donc le postérieur vers l’intérieur !
Die Beinmuskeln
Sie befinden sich im Bereich des Schienbeins und enden als lange Sehnen, die das Sprunggelenk an sich selbst, am Röhrbein, über oder unter der Fessel, also an den Fessel-, Kron- oder Hufbein fixieren.
Ihre Aufgabe ist das beugen oder strecken des Sprunggelenks und des Fesselkopfes.
#5 – 5 Übungen zum Muskelaufbau der Hinterhand
Jetzt wo du alle Muskeln und ihre Aufgaben kennst, geht es endlich ans Eingemachte. Auf die Pferde!
Übung #1 – Reiten in unebenem Gelände
Wie beim Menschen auch sorgt Höhentraining für ein durchtrainiertes Gesäß.
Durch das Bergauflaufen wird der Schub und der Schwung nach vorne verbessert. Der Musculus gluteus medius und der kaudale Oberschenkelmuskel werden hierbei konzentrisch kontrahiert.
Übung #2 – Rückwärtsrichten
Beim Rückwärtsrichten wird besonders der Musculus iliopsoas gestärkt, der auch für die Tragkraft aus der Hinterhand verantwortlich ist.
Dabei verändert sich der Muskelursprung.
Bewegt sich das Pferd vorwärts, bilden die Wirbel und das Ilium (das Becken) den Muskelursprung (Origo) des Iliopsoas. Geht das Pferd rückwärts, ist es aber genau andersherum. In diesem Fall ist der Oberschenkel der Muskelursprung. Deshalb ist das Rückwärtsrichten für das Pferd so anstrengend.
Zum besseren Verständnis: Stell dir vor, du legst dich bäuchlings auf dein Bett, deine Arme hängen neben deinem Körper in der Luft und imitieren die Bewegung von Liegestützen. Kein Problem! In diesem Fall ist der Ursprung dein Körper und deine Armen sind der Muskelansatz (Insertio). Machst du jedoch tatsächlich Liegestütze, dann wird das Ganze natürlich schon schwieriger … Denn jetzt sind deine Hände der Muskelursprung und dein Körper ist der Muskelansatz. Das Rückwärtsrichten funktioniert in etwa nach dem gleichen Prinzip.
Body Building
Zusätzlich zum Musculus Iliopsoas werden außerdem die kaudalen Oberschenkelmusklen und der Musculus gluteus medius gestärkt. Sie werden konzentrisch kontrahiert und ermöglichen somit das Rückwärtssetzen der Hinterbeine.
Das Rückwärtsrichten kann außerdem mit einem energievollen Anreiten im Trab aus dem Halt kombiniert werden. Es folgen konzentrischen und exzentrische in schneller Abfolge aufeinander, es handelt sich also um eine “polymetrische” Übung, auch Schnellkrafttraining genannt.
Übung #3 – Sprünge aus dem Schritt
Sprünge aus dem Schritt sind eine tolle Übung für die treibenden Muskeln. Da das Pferd keinen Anlauf nimmt, muss es für den Sprung seine gesamte Kraft aufwenden. Die Bauch- und Rückenmuskulatur müssen sich dabei stark kontrahieren.
Außerdem kann diese Übung auch die „Spontanität” des Pferdes verbessern und ist daher sehr nützlich, um z. B. bei einem Turnier eine Verweigerung zu vermeiden (soweit das Hindernis nicht zu hoch ist, um es im Schritt überspringen zu können).
Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass man Hindernisse von bis zu 90 cm aus dem Schritt überspringen kann. Fange aber ruhig mit ganz kleinen Hindernissen an und steigere die Höhe nach und nach. Lass die Zügel dabei locker und sei weich in der Hand. Du kannst dein Pferd einfach machen lassen. Ein kleiner Tipp: in die Mähne zu greifen, sorgt für etwas mehr Sicherheit!
Die gesamte Muskulatur der Hinterhand wird angespannt, um das Hindernis zu überwinden. Diese Übung ist außerdem perfekt für Pferde, die es vor dem Sprung oft zu eilig haben, oder Pferde, die noch nicht besonders selbstbewusst sind.
Übung #4 – Einseitig angehobene Bodenstangen
Reitet man in allen 3 Gangarten über die einseitig angehobene Bodenstangen, werden die normalen Bewegungen der Beine quasi “intensiviert” und man steigert die Aufrichtung.
Die Bewegung der Hinterbeine ist “intensiver”, wodurch der Musculus gluteus medius und die kaudalen Bein- Oberschenkelmuskeln angesprochen werden. Sie werden weiter angewinkelt und setzen dabei weiter vorne auf. Dabei wird der Musculus iliopsoas, die kranialen Bein- und Oberschenkelmuskeln besonders beansprucht.
Einseitig angehobene Bodenstangen verstärken die Bewegung der Beine. Sie werden stärker noch oben und nach hinten angezoge und setzen weiter vorne auf. So wird die gesamte Hinterhand des Pferdes trainiert.
Diese Übung kannst du ohne weiteres in deine Trainingsroutine mitaufnehmen.
Mehr zum Thema 📚 : 5 Übungen zum Muskelaufbau mit Hindernissen
Übung #5 – Seitgengänge
Seitengänge sind die perfekte Übung das Training der Adduktoren (sie bewegen die Beine nach innen) und der Abduktoren (sie bewegen die Hinterbeine nach außen). Der Musculus gluteus medius und außerdem einige der kranialen Oberschenkelmuskeln, also die Abduktoren, werden ebenfalls trainiert.
Seitengänge sind ein exzellentes Training zum Muskelaufbau der Hinterhand. Besonders die innere Oberschenkelmuskulatur wird gestärkt.
Du findest mehr Informationen hier: 7 Gründe für Seitengänge
Voilà! Jetzt weißt du alles über den Muskelaufbau der Hinterhand beim Pferd. Zeigt uns gerne eure vorher / nachher Fotos!
Bis zum nächste Artiekl 👋🏻
Camille Saute
R&D-Responsable bei Equisense