3 Dinge, die man über die Rückenmuskulatur wissen sollte
Viele Reiter wissen es nicht, aber: Wessen Pferd eine gut ausgebaute Rückenmuskulatur haben soll, der muss nicht nur den Rücken trainieren … sondern auch den Bauch! Warum das so ist und wie man sein Pferd am besten trainiert, um dieses Ziel zu erreichen, wird in diesem Artikel erklärt.
An dieser Stelle möchte ich mich außerdem bei Dr. Isabelle Burgaud bedanken, die mir beim Verfassen dieses Artikels geholfen hat.
Table des matières
- Wie sollte der Rücken eines Pferdes überhaupt aussehen?
- Fakt #1 – Die „Position” des Rückens hängt von der „Position” des Halses ab
- Fakt #2 – Um aufgebaut werden zu können, muss die Rückenmuskulatur entspannt sein
- Fakt #3 – Um die Rückenmuskulatur des Pferdes zu stärken, muss also erst der Bauch ran
- Übungen zum Aufbau der Bauchmuskulatur
Wie sollte der Rücken eines Pferdes überhaupt aussehen?
Der Pferderücken sollte möglichst gerade sein, also nicht auf Höhe der Sattellage „absinken”. Anders gesagt: Der Rücken sollte nicht zu konkav geformt sein. Außerdem sollte der Rücken des Pferdes gut bemuskelt und sollte schön straff sein, allerdings nicht verspannt.
An dieser Stelle kommt also zwangsläufig die Frage auf, wie man denn dieses perfekte Ergebnis erreichen kann.
Fakt #1 – Die „Position” des Rückens hängt von der „Position” des Halses ab
Der Pferderücken ist ein relativ komplexes, aber sehr funktionsfähiges System. Einer seiner Bestandteile ist das Nackenband (ligamentum nuchae). Dieses besteht aus dem Nackenstrang (funiculus nuchae) und der Nackenplatte (lamina nuchae).
Der Nackenstrang zieht über die ersten Halswirbel hinweg und ab der Halsmitte weist er eine fächerförmige Verbreiterung auf, die fast bis zum Schulterblattknochen reicht. Dann setzt sich der Nackenstrang als das weniger elastische Rückenband (liganemtum supraspinale) fort. Am zwölften Brustwirbel verliert sich diese Erweiterung und das Nackenband endet beim Kreuzbein.
Das elastische Nackenband besteht aus zwei Strukturen:
- der Nackenstrang, der vom Schädel bis zum dritten, vierten oder fünften Brustwirbel reicht (der Nackenstrang befindet sich direkt unter der Mähne)
- die Nackenplatte beginnt an den Spinalfortsätzen des zweiten bis letzten Halswirbels, geht in den Nackenstrang über und endet an den Spinalfortsätzen der ersten Brustwirbel
Diese Bänder bewirken, dass der Rücken angehoben wird, wenn das Pferd den Kopf senkt.
Das kannst du sogar selber mal ausprobieren. Platziere ein kleines Brett oder einen Stock zwischen den Widerrist und der Kruppe, sodass es ausbalanciert ist. Führe dann den Kopf des Pferdes nach oben und miss den Abstand zwischen dem tiefsten Punkt des Rückens und dem Brett. Wiederhole das Ganze, aber führe den Pferdekopf diesmal nach unten. Du wirst feststellen, dass der Abstand sich deutlich verringert. Der Rücken des Pferdes hebt sich an.
Senkt das Pferd also seinen Kopf, bildet sich eine Art „Brücke”. Diese ermöglicht das Tragen des Reiters und lässt dabei die Muskeln der dorsalen Kette frei arbeiten.
Fakt #2 – Um aufgebaut werden zu können, muss die Rückenmuskulatur entspannt sein
Man sollte sich der Tatsache bewusst sein, dass die Rückenmuskulatur des Pferdes eigentlich nicht dazu gemacht ist, einen Reiter zu tragen. Hier kommen die Bänder ins Spiel. Die Rückenmuskulatur ist für jeden Schritt und jede Biegung verantwortlich (unter anderem und stark vereinfacht). Damit das klappt, muss sie allerdings entspannt und locker sein.
„Die Rückenmuskulatur des Pferdes ist eigentlich nicht dazu gemacht, einen Reiter zu tragen.”
Sollte der Reiter die Muskelaktion behindern oder sollte der Sattel nicht richtig passen, dann sind dementsprechend natürlich auch die Bewegungsabläufe nicht optimal. Das äußert sich dann z. B. darin, dass das Pferd den Kopf nicht senkt, im Rücken hohl ist oder die Hinterhand nicht aktiviert.
Mehr dazu: Wie sich das Training auf die Muskeln deines Pferdes auswirkt
Muskelketten im Detail
Die 2 wichtigsten Muskelketten sind die dorsale und die ventrale.
Die Muskeln der dorsalen Kette sind vereinfacht gesagt die Muskeln, die sich über den Wirbeln befinden. Dazu gehören die tiefen Muskeln des oberen Halsabschnittes, der Musculus erector spinae, des Rückens und die Muskulatur der Kruppe und der Oberschenkel, die das Rückwärtsrichten der Hinterhand ermöglicht.
All diese Muskeln sind Streckmuskeln des Rumpfes und der Hüfte. Ihre Kontraktion ermöglicht das Anheben des Halses und das Rückwärtsrichten der Hinterhand, sowie das „Aushöhlen” des Rückens. Wie du dir jetzt sicher vorstellen kannst, ist diese Muskelkette bei Pferden, die nicht korrekt trainiert werden, besonders stark ausgeprägt.
Die ventrale Muskelkette selbst besteht aus den unteren (ventralen) Halsmuskeln, die das Strecken des Halses ermöglichen, den Bauchmuskeln und den vorderen Oberschenkelmuskeln. Diese ermöglichen es dem Pferd, mit der Hinterhand unterzugreifen.
All diese Muskeln sind Beugemuskeln des Halses, des Rumpfes und der Hüfte. Ihre Kontraktion ermöglicht das Senken des Halses, denn beim „Strecken des Halses” handelt es sich eigentlich um ein Biegen der unteren Halspartie. Werden diese Muskeln kontrahiert, kann sich der Hals senken, die Hinterhand kann untertreten und der Rücken bewegt sich somit nach oben. Dementsprechend ist diese Muskelkette bei gut trainierten Pferden deutlich ausgeprägt.
Wenn das alles verstanden ist, wird es ab jetzt einfach.
Fakt #3 – Um die Rückenmuskulatur des Pferdes zu stärken, muss also erst der Bauch ran
Wenn also die Bauchmuskeln kontrahiert werden, wird die Hüfte gebeugt und die Hinterhand aktiviert, das Pferd kann untergreifen.
Die Streckung der Hüfte führt zum Anspannen der Bänder des Rückens. Dadurch wird die bereits erwähnte „Brücke” gebildet, wodurch die Muskeln der dorsalen Kette frei zu arbeiten können und dabei gleichzeitig gestärkt werden. All dies ermöglicht das Tragen des Reiters.
Leider gilt das Ganze auch andersherum: Sind die Bauchmuskeln nicht angespannt, werden das Becken und die Hinterhand nicht gestreckt. Die Brücke kann sich nicht ausbilden. Die Rückenmuskulatur jedoch, wird angespannt, versteift sich und wird im schlimmsten Fall gar geschädigt.
Also her mit den Bauchmuskeln!
Man sollte sich also merken, dass die Stärkung der oberen Muskulatur erst nach der ausreichenden Ausbildung der unteren Muskulatur erfolgt. Damit die Muskeln der ventralen Kette richtig arbeiten können, darf allerdings auch die dorsale Kette nicht angespannt sein. Es findet immer ein Zusammenspiel statt zwischen den verschiedenen Muskeln und Strukturen.
Es handelt es sich hier um Antagonisten, wie beim Quadrizeps und dem Musculus biceps femoris, dem sog. „Beinbizeps”. Ein kleines Selbstexperiment: Versuch, in die Knie zu gehen, während du den Quadrizeps anspannst. Richtig – Das funktioniert nicht! Genauso ist es beim Pferd. Ist die dorsale Kette nicht locker, können die Bauchmuskeln nicht richtig arbeiten und andersherum.
Diese beiden Ketten arbeiten also gleichzeitig, um die Bewegungsabläufe im Gleichgewicht halten zu können. Nur wenn beide ausreichend aufgebaut sind und zusammenarbeiten, kann die Versammlung des Pferdes erreicht werden. Der Musculus erector spinae ermöglicht das Senken des Halses, die Bauchmuskeln sorgen dafür, dass die Hinterhand aktiviert ist und sich streckt, der Rücken ist nach oben gewölbt und angespannt. Aber all das erreicht man nun mal leider nicht von heute auf morgen.
Aber wie trainiere ich die Bauchmuskeln meines Pferdes überhaupt?
Übungen zum Aufbau der Bauchmuskulatur
Gute Frage! Wir haben da was vorbereitet…
Noch mehr Übungen: Originelle Übungen mit Hindernissen
Übung #1 – Das Senken des Halses
So einfach es auch scheinen mag, aber das Senken des Halses ist ein exzellentes Training der Bauchmuskulatur.
Professor Jean-Marie Denoix erklärt das Ganze sehr gut:
„Das Anspannen des Rückenbandes schränkt die Biegung im Bereich der Lenden und des Brustkorbs ein und verstärkt somit bei der Aktivierung [der Hinterhand] die Arbeit der Bauchmuskeln.“ (Denoix, 2014).
Ich übersetze: Senkt das Pferd den Kopf, wird das Nackenband gestreckt und der Rücken geht nach oben. Dadurch kann die Hinterhand stärker untertreten, wodurch wiederum die Bauchmuskulatur gestärkt wird.
Dieser Effekt wird beim Bergaufreiten sogar noch verstärkt.
Übung #2 – Rückwärtsrichten
Der Effekt des Rückwärtsrichtens wird oft unterschätzt. Es ist eine tolle Übung für die Koordination und durch die langsame Ausführung ist Konzentration gefragt.
Beim Rückwärtsrichten werden die Bauchmuskeln auf eine andere Art und Weise beansprucht als sonst. Besonders wichtig ist hierbei der Musculus iliopsoas, der die Lendenwirbel und das Darmbein (ilium) mit dem Oberschenkel verbindet. Der Iliopsoas ist maßgeblich für die Aktivierung der Hinterhand verantwortlich.
Bewegt sich das Pferd vorwärts, bilden die Wirbel und das Ilium (das Becken) den Muskelursprung (Origo) des Iliopsoas. Geht das Pferd rückwärts, ist es aber genau andersherum. In diesem Fall ist der Oberschenkel der Muskelursprung. Deshalb ist das Rückwärtsrichten für das Pferd so anstrengend.
Zum besseren Verständnis: Stell dir vor, du legst dich bäuchlings auf dein Bett, deine Arme hängen neben deinem Körper in der Luft und imitieren die Bewegung von Liegestützen. Kein Problem! In diesem Fall ist der Ursprung dein Körper und deine Armen sind der Muskelansatz (Insertio). Machst du jedoch tatsächlich Liegestütze, dann wird das Ganze natürlich schon schwieriger … Denn jetzt sind deine Hände der Muskelursprung und dein Körper ist der Muskelansatz. Das Rückwärtsrichten funktioniert in etwa nach dem gleichen Prinzip.
Übung #3 – In-Outs
In-Outs sind dank der schnellen Aufeinanderfolge von biegenden und streckenden Bewegungen ein ausgezeichnetes Training für die Bauchmuskeln.
Beim Überwinden des ersten Hindernisses kommt die Vorhand auf dem Boden auf und stößt sich sofort wieder ab, um direkt über das zweite Hindernis springen zu können. Danach fußt auch die Hinterhand ab. Es gibt also eine Phase, in der die Vorhand bereits zum nächsten Sprung ansetzt, während die Hinterhand noch nicht wieder nach ersten Hindernis gelandet ist. Die Länge dieser Flugphase hängt vom Tempo, mit der man die In-Outs anreitet, und vor allem von der Biegung des Rückens ab. Die Bauchmuskeln werden enorm kontrahiert.
Reitet man In-Outs bergauf, steht dem Sixpack nichts mehr im Wege.
Du hast nicht genug? Wie wäre es mit ein paar Übungen für den Hals?
Bis zum nächsten Artikel
Camille Saute,
R&D-Managerin bei Equisense