Warum die Brustmuskeln beim Pferd so wichtig sind
Oft wird beim Pferd vom Aufbau der Hals-, Rücken-, Bauch- und Kruppenmuskulatur gesprochen, aber so gut wie nie von der Brust. Dabei sind die Brustmuskeln extrem wichtig für das Pferd, denn ohne sie könnte es noch nicht einmal stehen!
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Aber zuerst: die Grundlagen der Anatomie
Genauer gesagt: Osteologie. Zunächst einmal ist es wichtig, zu wissen, dass das Pferd kein Schlüsselbein hat.
Aber wieso ist das so wichtig? Wozu ist das Schlüsselbein überhaupt gut?
Das Schlüsselbein hat die Funktion, die oberen Extremitäten mit dem Skelett zu verbinden. Der Oberarmknochen (Humerus) ist durch ein Gelenk mit dem Schulterblatt (Scapula) verbunden. Das Schulterblatt wiederum ist über das Brustbein-Schlüsselbein-Gelenk (Sternoclaviculargelenk) mit dem Brustbein (Sternum) bzw. dem Rest des Körpers verbunden. Bei allen anderen Strukturen, die dort zur Verbindung dienen, handelt es sich um Muskeln und nicht um Knochen.
Das einzige Gelenk, das die oberen Extremitäten mit dem Rest des Körpers verbindet.
Bei der Hinterhand hingegen sieht das anders aus. Die Hinterbeine sind durch das Becken und vor allem durch das Iliosakralgelenk mit der Wirbelsäule verbunden.
Die Rolle der Brustmuskeln
Die Brustmuskeln übernehmen beim Pferd quasi die Rolle des Schlüsselbeins beim Menschen, indem sie die Vorderbeine mit dem Rumpf verbinden.
Man unterscheidet mehrere Arten von Brustmuskeln, eine genauere Erklärung folgt weiter unten im Text. In der folgenden Abbildung sind sie stark vereinfacht in türkis dargestellt. Es handelt sich um:
- Musculus pectoralis profundus
- Musculus pectoralis transversus
- Musculus pectoralis descendens
- Musculus subclavius (Unterschlüsselbeinmuskel)
die Muskeln in orange sind die sog. Sägemuskeln:
- Musculus longissimus cervicis
- Musculus serratus ventralis thoracis
Diese Muskeln sind mit der Innenseite des Schulterblatts und mit dem Oberarmknochen verbunden und verbinden sich dann (mit der Seite oder) mit dem Brustbein. All diese Muskeln ermöglichen den Vorderbeinen das Tragen des Rumpfes.
Die Sägemuskeln
Streng genommen gehören die Sägemuskeln gar nicht zu den Brustmuskeln, aber da sie eine ähnlichen Funktion haben, werden wir hier auch auf sie eingehen.
Der Musculus longissimus cervicis und der Musculus serratus ventralis thoracis werden auch als Sägemuskeln bezeichnet. Sie befinden sich an der Innenseite des Schulterblatts (oben) und reichen bis zu den letzten Halswirbeln und den letzten Rippen. Werden sie also kontrahiert, werden Rumpf und Hals zwischen den beiden Vorderbeinen „angehoben”.
Die Brustmuskeln
Sie befinden sich nicht am Schulterblatt, sondern am Oberarmknochen und verbinden diesen mit dem Brustbein. Ihre Aufgabe ist das Anheben des Rumpfes. Außerdem agieren sie als Adduktoren, d. h. sie ziehen Gliedmaßen an den Körper heran: sie ermöglichen es dem Pferd, die Vorderbeine nach innen zu bewegen.
Zusammenfassung
Diese Muskeln sind sehr kraftvoll und für die Tragfähigkeit der Vorhand entscheidend. Die Brustmuskeln sind für das Gefühl verantwortlich, das man hat, wenn das Pferd den Widerrist „anhebt”. Die Sägemuskeln ermöglichen das Anheben des Halses.
Wusstest du schon? Viele Pferde, die etwas später, also erst mit 7 oder 8 Jahren eingeritten werden, wachsen nach Beginn des Trainings noch ein paar Zentimeter in die Höhe. Das liegt daran, dass sich die Muskeln durch die Bewegung noch aufbauen. Die Säge- und Brustmuskeln wachsen, wodurch der Brustbereich zwischen den Vorderbeinen quasi nach oben geschoben wird (s. Abbildung oben, Frontalansicht).
Das Training der Brustmuskeln
Das Senken des Halses
Genau, hierbei werden nämlich nicht nur die Bauchmuskeln trainiert! Senkt das Pferd den Hals während der Bewegung (und nicht nur beim Fressen auf der Weide), dann ruht besonders viel Gewicht auf der Vorhand. Die Säge- und Brustmuskeln werden also exzentrisch kontrahiert und damit besonders intensiv trainiert.
Weiterlesen: Alles zum Training der Bauch- und Rückenmuskeln
Seitengänge
Bei den Seitengängen wird in erster Linie die Brustmuskulatur trainiert. Es handelt sich um eine konzentrische Kontraktion. Die bereits erwähnten Adduktoren ermöglichen das Kreuzen der Vorderbeine. Reitet man zum Beispiel eine Traversale nach rechts, dann ermöglicht die Brustmuskulatur es dem linken Vorderbein vor das rechte zu treten. Bei so ziemlich allen Seitengängen (Schulterherein, Konterschulterherein, Travers, Renvers, Traversale, Schenkelweichen, etc).
Mehr dazu: Warum wir alle regelmäßig Seitengänge reiten sollten
Springen
Auch beim Springen werden die Brustmuskeln gestärkt!
Beim Absprung werden sie konzentrisch kontrahiert, um das Anheben der Vorhand und des Widerrists zu ermöglichen. Bei der Landung hingegen handelt es sich um eine exzentrische Kontraktion, die beim Aufkommen auf dem Boden das Gewicht des Rumpfes abfängt. So werden die Gelenke, die sich weiter unten am Vorderbein befinden, etwas mehr geschont. Man sollte nicht vergessen, dass das Vorderbein, das nach einem Sprung zuerst auf dem Boden aufkommt, mit einem Gewicht belastet wird, das dem Vierfachen des Gewichts des Pferdes entspricht. Daher sollte man die Anzahl der Sprünge während einer Einheit zählen. Dafür gibt es zum Glück den Equisense Motion.
In-Outs sind ebenfalls perfekt für das Training der Brustmuskeln!
Für die nächste Reitstunde: 7 originelle Übungen fürs Springtraining
Das Anziehen der Vorhand beim Springen
Die Brustmuskeln sind während der Flugphase über einem Hindernis entscheidend.
Hast du schonmal gesehen, dass manche Pferde, wie z.B. das Pferd auf dem linken Bild, die Vorderbeine nicht anziehen, während andere, wie das Pferd rechts, dies sehr wohl tun? Diejenigen Pferde, die die Beine an den Körper heranziehen, haben eine besser entwickelte Brustmuskulatur! Wie wir jetzt bereits wissen, ermöglichen diese Muskeln, die Adduktoren sind, das Heranziehen der Oberarmknochen an den Körper. Und genau diese Bewegung ist über dem Hindernis gefragt.
Fazit
So sieht also die Entsprechung von Liegestützen fürs Pferd aus. Die gute Nachricht: das Training kann äußerst abwechslungsreich gestaltet werden! Seitengänge, Springen und Vorwärts-Abwärts werden mit ins Trainingsprogramm aufgenommen.
Also dann, an die Arbeit!
Bis zum nächsten Artikel
Camille Saute,
R&D-Managerin bei Equisense.
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