8 Fakten zum Lungenemphysem beim Pferd
In diesem Artikel geht es das Thema Lungenemphysem. Über diese Erkrankung wird oft gesprochen und sie ist von Reitern gefürchtet.
Auch bei meiner Stute, O la Belle, wurde letztes Jahr ein Lungenemphysem diagnostiziert. Das erste Symptom war ihr Husten, der jedes Jahr im Winter wiederkehrte und dann im Sommer wieder verschwand. Letzten Winter allerdings hat der Hustensirup keine Besserung mehr verschafft. Unser Tierarzt hat sich daher auf die Suche nach der Ursache ihrer Beschwerden gemacht und ist zu dem Ergebnis gekommen, dass meine unter Stute RAO leidet. Ein Lungenemphysem also. Wahrscheinlich hast du davon schonmal gehört. In diesem Artikel wird dir unsere Tierärztin Marine im Detail erklären, was genau es mit dieser Erkrankung überhaupt auf sich hat.
Der Sommer neigt sich dem Ende zu, es ist wieder an der Zeit, die Jacken aus dem Spind zu kramen und die Pferde werden immer weniger Zeit auf der Weide verbringen. Für manche von ihnen ist die kalte Jahreszeit leider mit Husten verbunden. Der Grund dafür: ein Lungenemphysem. Aber was genau ist das für eine Erkrankung, deren Symptome nur im Winter auftreten? Wie kann man sie mildern? Wir möchten diese und einige weitere Fragen beantworten, damit es deinem Pferd trotz seiner Erkrankung so gut geht wie nur möglich.
Table des matières
- #1 – Es handelt sich um eine komplexe Erkrankung [1]
- #2 – Die Umgebung ist der entscheidende Faktor
- #3 – Husten ist das auffälligste, aber nicht das einzige Symptom
- #4 – Das Lungenemphysem tritt vor allem im Winter auf
- #5 – Lindere die Symptome deines erkrankten Pferdes
- #6 – Das richtige Futter bei einem Lungenemphysem
- #7 – Es besteht eine genetische Veranlagung
- #8 – Augen auf beim Pferdekauf
#1 – Es handelt sich um eine komplexe Erkrankung [1]
Diese Krankheit hat viele Namen, die häufig als Synonyme gebraucht werden, obwohl sie sich eigentlich voneinander unterscheiden: Lungenemphysem ist die geläufigste Bezeichnung. RAO (Recruitment Airway Obstruction) ist oft mit asthmatischen Anfällen verbunden, COPD (Chronic Obstructive Pulmonary Disease) eher mit Schleimbildung und unter COB versteht man eine chronisch-obstruktive Bronchitis. Wird die Haltung nicht rechtzeitig angepasst verschlimmern sich die Symptome und es kommt zum Lungenemphysem bzw. Dampf oder auch Dämpfigkeit. Es handelt sich dabei um eine entzündliche Atemwegserkrankung, die zu einer Obstruktion der unteren Atemwege führt. Zu den unteren Atemwegen gehören die Lunge und die Bronchien. Zu den oberen Atemwegen gehören die Nüstern, die Nasenhöhlen, der Rachen, der Kehlkopf und die Luftröhre.
Diese Erkrankung zeichnet sich durch eine entzündliche Reaktion, die durch den Kontakt mit von Tieren oder Pflanzen stammendem organischem Staub verursacht wird, aus. Besonders problematisch sind dabei Stroh und verschimmeltes Heu. Die Erkrankung kann zahlreiche Ursachen haben. Forscher sind sich größtenteils einig, dass es sich dabei um eine Allergie handelt, da die pathophysiologischen Mechanismen denen des Asthmas beim Menschen ähneln. Die Umgebung des Pferdes scheint dabei eine entscheidende Rolle zu spielen, man ist sich jedoch, obwohl bereits viele Nachforschungen angestellt wurden, noch nicht einig über die genauen Ursachen.
#2 – Die Umgebung ist der entscheidende Faktor
Die Symptome werden durch den Staub im Stall ausgelöst, allerdings ist noch nicht geklärt, welche Bestandteile des Staubs die Übeltäter sind. Man weiß jedoch, dass die Atemwege bei Pferden, die in Boxen gehalten werden, einen weniger sauren ph-Wert aufweisen als gewöhnlich. Das liegt an der Einstreu, die den im Urin enthaltenen Ammoniak aufnimmt. [3] Beim Menschen kann eine Veränderung des ph-Werts und der Kontakt mit Ammoniak angeblich zu Asthma führen. Wissenschaftler gehen davon aus, dass dies beim Pferd ebenfalls der Fall ist.
#3 – Husten ist das auffälligste, aber nicht das einzige Symptom
Der Staub in Heu und Stroh enthält jede Menge Milben, Bakterien und Pilze (der Staub in Reitställen enthält mehr als 50 verschiedene Arten von Schimmelpilzen … Pfui!) 🤢 [1].
Bei hypersensiblen, also allergischen, Pferden ist die Immunreaktion zu stark. Atmen sie den Staub ein, setzt das Immunsystem in hohem Maße Moleküle frei, die den vermeintlichen „Krankheitserreger” bekämpfen sollen. Dies führt zu einer Entzündung der Atemwege und somit zu einem Husten, das sowohl in Ruhephasen als auch bei Bewegung auftreten kann. Es sind allerdings noch weitere Symptome zu beobachten:
- Verengung der Bronchien (der Durchmesser dieser „Rohre”, die die Luft bis in die Lungen transportieren, verkleinert sich)
- erhöhte Schleimproduktion, die zu einer Verstopfung führen kann
- Veränderung der Atemwege: Hypertrophie der Bronchialmuskulatur, Fibrose etc.
Die Luft ist also quasi in der Lunge eingeschlossen und das Pferd hat Probleme beim Ein- und vor allem beim Ausatmen. Man kann beobachten, dass es versucht, dem entgegenzuwirken: die Bewegung der Brusthöhle wird verstärkt und es kommt zur sog. Bauchatmung. Um die Atmung zu erleichtern, werden außerdem die Nüstern gebläht. Wegen des Drucks auf dem Bauch können zusätzlich Blähungen auftreten. Logischerweise können sich diese Atembeschwerden negativ auf die körperliche Leistung des Pferdes auswirken.
Je nach Ausprägung der Erkrankung können unterschiedliche Symptome auftreten. Im fortgeschrittenen Stadium der Erkrankung sieht man oft die typische Dampfrinne. Diese kommt durch die erschwerte Atmung und die damit einhergehende erhöhte Belastung der schrägen Bauchmuskulatur zustande. Gleichzeitig magert das Pferd häufig ab.
#4 – Das Lungenemphysem tritt vor allem im Winter auf
Diese Krankheit tritt vor allem in der nördlichen Hemisphäre und besonders häufig in gemäßigten Klimazonen auf. In der Regel halten wir unsere Pferde im Winter im Stall und geben ihnen Raufutter zu fressen. Daher treten die Symptome jeden Winter von Neuem auf. In städtischen oder stadtnahen Gebieten sind Pferde weiteren Schadstoffen ausgesetzt, die, wie bei uns Menschen auch, ebenfalls im Verdacht stehen, zu einer Hypersensibilisierung zu führen.
2007 wurde eine große epidemiologische Studie [2] durchgeführt, bei der in Großbritannien das Vorkommen von Dämpfigkeit untersucht wurde. Das Ergebnis lag bei 14 %. Bei der Hälfte aller Atemwegsbeschwerden handelt es sich um Dämpfigkeit [1]. Diese Erkrankung ist also alles andere als selten, sie scheint jedoch ausschließlich bei ausgewachsenen Pferden von mindestens 7 Jahren aufzutreten. Daher ist es nicht ausgeschlossen, dass ein junges Pferd, das gesund ist, später noch erkrankt.
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#5 – Lindere die Symptome deines erkrankten Pferdes
Zwar kann das Pferd nicht vollständig von dieser Erkrankung geheilt werden, aber man kann die Symptome zumindest stabilisieren. Dazu sollte man es so wenig Staub wie möglich aussetzen. Die beste Lösung ist es, das Pferd das ganze Jahr über auf der Weide zu halten, wodurch die klinischen Symptome normalerweise vollständig verschwinden. Ist dies nicht möglich, sollte man versuchen, den Kontakt zu Staub so gut es geht zu vermeiden. Das Pferd sollte in einer gut belüfteten Box untergebracht sein, die so weit wie möglich vom Heuboden entfernt ist. Man sollte wissen, dass Pferde, deren Box mit Stroh eingestreut ist und denen Heu gefüttert wird, 35 Mal mehr organischem Staub ausgesetzt sind als Pferde, deren Box mit Spänen eingestreut wird und denen Pellets gefüttert werden [4]. Man sollte also Späne als Einstreu verwenden (ein Stroh von sehr guter Qualität enthält wesentlich weniger Staub und kann daher auch verwendet werden, ist aber leider schwer zu finden). Die Einstreu muss immer sauber sein, da die Dämpfe des Ammoniaks die Symptome verschlimmern.
Zu guter Letzt sollte man dem Pferde keinen Aktivitäten aussetzen, bei denen viel Staub aufgewirbelt wird, z. B. Heufütterung oder die Säuberung des Stalls (eine Putzaktion mit dem Druckluftreiniger direkt unter der Nase des Pferdes wäre z. B. katastrophal). In diesem Fall kann es jedoch helfen, den Boden vorher zu nässen.
Wie so oft ist all das leichter gesagt als getan. Der ein oder andere Stallbesitzer wird sich eventuell querstellen, da er nicht für ein einziges Pferd seine gesamte Logistik auf den Kopf stellen möchte.
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#6 – Das richtige Futter bei einem Lungenemphysem
Da der Husten durch eine allergische Reaktion ausgelöst wird, scheint es nur allzu logisch, dass das Futter einen Risikofaktor darstellt. Außerdem haben viele Pferde die Angewohnheit, das Heu mit dem Maul durchzuwühlen, wodurch zusätzlich Staub aufgewirbelt wird. In schlecht verarbeitetem oder nicht korrekt gelagertem Heu und Stroh ist die Zahl der Allergene besonders hoch. Daher sollte man seinem Pferd nur hochwertige Produkte füttern.
Raufutter kann auch durch Luzerne (in Würfeln), granuliertes Heu, Silage oder frisches Gras ersetzt werden.
Sollte Heufütterung nicht vermeidbar sein, kann man es auch in Wasser tränken, um den Staub zu reduzieren. Wie lange man das Heu im Wasser lassen soll, ist das Thema zahlreicher Debatten, die ideale Dauer liegt wohl irgendwo zwischen 20 Minuten und 4 Stunden. Je länger, desto effektiver ist diese Methode, gleichzeitig gehen aber auch wertvolle Nährstoffe verloren und die Entstehung von Bakterien und Schimmelpilzen wird zunehmend begünstigt. 20-30 Minuten scheinen ein guter Kompromiss zu sein, letztendlich muss das aber jeder selbst abwägen.
Es gibt auch Geräte zur Sterilisierung des Heus. Anders als beim Tränken in Wasser wird die Vermehrung von Bakterien dabei nicht begünstigt und gleichzeitig bleiben die Nährstoffe erhalten. Diese Geräte sind sehr effektiv, aber leider auch ziemlich kostspielig.
Auch die Bereitstellung des Heus ist entscheidend. Wird es auf den Boden gelegt, gelangt weniger Staub in die Atemwege, da das Pferdes den Kopf beim Fressen unten hält. Wird es jedoch in ein Heunetz gefüllt oder in ein Gitter, atmet das Pferd wesentlich mehr Staub ein, da das Pferd seinen Kopf beim Fressen höher hält.
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#7 – Es besteht eine genetische Veranlagung
Die meisten Pferde sind im Stall täglich einer Menge Staub ausgesetzt, aber nur wenige unter ihnen entwickeln Anzeichen eines Lungenemphysems. Dabei handelt es sich wahrscheinlich nicht um die Veränderung eines einzigen Gens, sondern mehrerer. Es handelt sich um eine komplexe Interaktion zwischen dem Genom des Individuums und seiner Umgebung. Bei einem Pferd mit Lungenemphysem besteht daher die Möglichkeit, dass seine Symptome je nach Umgebung zurückgehen, aber das Ganze ist ziemlich kompliziert.
#8 – Augen auf beim Pferdekauf
Beim Pferdekauf ist Vorsicht geboten, da Symptome eines Lungenemphysems, wenn das Pferd im Sommer oder draußen begutachtet wird, nicht sichtbar sind. Ist das Pferd jünger als 7 Jahre, kann sich die Erkrankung auch erst noch entwickeln. Wie immer beim Pferdekauf sollte man also vorsichtig sein und einen Kaufvertrag abschließen und das Pferd vom Tierarzt des Vertrauens begutachten lassen, um sich so gut wie möglich abzusichern.
Fazit
Das Fazit lautet also, dass man die Haltung eines erkrankten Pferdes so gut wie möglich anpassen sollte, um das Ausmaß der Symptome so gering wie möglich zu halten. Falls erste Anzeichen von Dämpfigkeit auftreten, sollte man nicht zögern, einen Tierarzt zu rufen. Er wird Tipps geben und eine auf das Pferd abgestimmte Behandlung vorschlagen.
Bis zum nächsten Artikel
Marine Slove, Tierärztin und Produktmanagerin
Ich habe Marines Ratschläge und die meines Tierarztes befolgt und mit der Behandlung meiner Stute begonnen. Außerdem ist sie umgezogen: Ihr alter Stall befand sich in der Vorstadt und sie stand in einer geschlossenen Box mit Heueinstreu und 3 Stunden Paddock pro Tag. Ihr neues zu Hause ist ein Offenstall mitten auf dem Land, eingestreut wird mit Spänen, sie verbringt den ganzen Tag draußen und geht nur nachts in den Stall. Meine Stute ist wie ausgewechselt! O la Belle ist topfit und das obwohl ich schon befürchtet hatte, ich müsste sie in den Ruhestand entlassen!
Sollte bei deinem Pferd also ein Lungenemphysem diagnostiziert werden, besteht kein Grund zur Panik. Höre auf deinen Tierarzt und passe die Umgebung deines Pferdes an seine Bedürfnisse an. Dein Pferd wird es dir danken.
Camille, R&D Managerin bei Equisense