Die Folgen von Übergewicht beim Pferd
Genau wie beim Menschen ist Übergewicht auch beim Pferd ein nur allzu bekanntes Problem. Oft sagen Pferdebesitzer, sie finden ihr Pferd schöner, wenn es ein bisschen molliger ist, aber glaub mir, du tust dem Tier damit keinen Gefallen. In diesem Artikel möchten wir darauf eingehen, wie man Übergewicht beim Pferd feststellt, was die Folgen davon sind und was man tun kann, damit das Pferd abnimmt.
Ich möchte mich an dieser Stelle bei Dr. Philippe Benoit bedanken, der mir beim Verfassen dieses Artikels geholfen hat.
Table des matières
1. Ist mein Pferd übergewichtig? ⚖
Zunächst einmal sollte man sich über den körperlichen Zustand seines Pferdes im Klaren sein. Das nationale Institut für Agrarforschung in Frankreich (INRA) hat im Jahr 1997 eine Methode zur Beurteilung der körperlichen Verfassung bei Pferden veröffentlicht, nämlich den Body Condition Score. Dabei erhält das Pferd eine Note zwischen 0 (untergewichtig) und 5 (übergewichtig). Um diese Note herauszufinden, wird an 5 verschiedenen Körperstellen (und außerdem der Kruppe) des Pferdes eine Palpation des Fettgewebes durchgeführt.
Im Gegensatz zur Messung des Gewichts des Pferdes hat diese Methode den Vorteil, das sie unabhängig von der Größe des Pferdes ist.
Die Kriterien dieser 5 Bereiche sind folgende:
Quellen: [1] [2]
So wird’s gemacht
Man tastet die Zonen nacheinander ab und gibt jeder die am besten passende Note (halbe Punkte sind erlaubt). Anschließend wird unter Berücksichtigung der unten in der Tabelle angegebenen Faktoren der Durchschnittswert berechnet. [2]
Hat ein Pferd z. B. die Noten 2, 3, 3, 2, 3, dann ergibt sich daraus folgendes Ergebnis:
Body Condition Score = (2×0,1)+(3×0,2)+(3×0,55)+(2×0,1)+(3×0,05) = 2,8 aufgerundet zu 3
Was bedeutet das?🧐
Der optimale Wert liegt zwischen 2,5 und 3,5. Schwankungen im Laufe des Jahres sind vollkommen normal, oft ist der Wert im Winter etwas höher. [2]
„Oft hört man, die ideale Note variiere je nach Rasse und der Disziplin des Pferdes [3], bei Dressurpferden liege sie bei 3-3,5. Das sind aber rein ästhetische Vorlieben, die nicht die gesundheitlichen Aspekte des Pferdes berücksichtigen. Ein Dressurpferd mit einer Note zwischen 3,5-5 mag vielleicht den ästhetischen Idealvorstellungen seiner Disziplin entsprechen, gesundheitlich betrachtet ist dieser Wert jedoch genauso schädlich wie für jedes andere Pferd auch. Durch das Übergewicht besteht ein erhöhtes Risiko für Knochen- und Gelenkprobleme. Der Idealwert liegt bei allen Pferden zwischen 2-2,5 und 3,5.” – Marine Slove, unsere Tierärztin bei Equisense
Und das Gewicht dabei?
Das Gewicht des Pferdes kann mithilfe mehrerer Methoden ermittelt werden. Entweder du hast das Glück, das dir eine spezielle Pferdewaage zur Verfügung steht oder du besorgst dir ein Gewichtsmaßband für Pferde. Dieses ist ähnlich wie ein normales Maßband, allerdings sind die entsprechenden Werte zur Berechnung des Gewichts darauf angegeben. Im Notfall kann auch ein herkömmliches Maßband verwendet werden.
In diesem Fall werden die Höhe des Widerrists (HW) und der Brustumfang (BU) gemessen (im Bereich, in dem der Sattelgurt anliegt). Anschließend wird mithilfe der folgenden Formel das Gewicht des Pferdes auf ca. 25 kg genau berechnet:
Gewicht (kg) = 3 x HG + 4,3 x BU – 785 [4][5]
⚠ Diese Formel kann nur auf Reitpferde angewendet werden.
Dabei ist das Gewicht natürlich nicht alleine ausschlaggebend dafür, ob das Pferd zu dick oder zu dünn ist. Der Körperfettanteil ist entscheidend und sagt mehr aus als das Gewicht alleine. [6]
2. Mein Pferd ist zu dick. Was sind die Risiken?
Übergewicht kann tatsächlich einige Auswirkungen auf das Pferd haben. Die Tierärzte der französischen Klinik Grosbois nennen folgende: [7]
- erhöhte Belastung des Atmungs- und Kreislaufsystems
- erhöhtes Risiko für Hufrehe
- erhöhtes Risiko für orthopädische Probleme bei jungen Pferden, die sich noch im Wachstum befinden
- erhöhte Belastung der Hufe, der Gliedmaßen und der Gelenke
- Schwierigkeiten bei der Regulierung der Körpertemperatur
- erhöhte Einlagerung von Viszeralfett (Überlastung von Leber und Niere)
- abnehmende Fruchtbarkeit
- Trägheit und Abgeschlagenheit
Die erhöhte Belastung von Knochen und Gelenken ist einfach nachzuvollziehen. Überspringt das Pferd bspw. ein Hindernis, dann wird das Vorderbein, das zuerst auf dem Boden aufkommt, mit bis zu dem 4-fachen seines Körpergewichts belastet [8]. Man kann sich also gut vorstellen, dass die Knochen, Gelenke, und Sehnen eines übergewichtigen Pferdes ganz schön auf die Probe gestellt werden. Und das leider nicht nur beim Springen.
Mehr dazu: Arthrose beim Pferd – Ursachen, Verlauf, Behandlung
Mehr dazu: Wie sich der Boden auf die Gesundheit deines Pferdes auswirkt
3. Wie sorge ich dafür, dass mein Pferd abnimmt?
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Jetzt wird es schon etwas schwieriger.
Zunächst einmal sollte die Ursache für das Übergewicht gefunden werden. Es kann eine Erkrankung vorliegen (z. B. Cushing Syndrom, Stoffwechselerkrankung etc.), daher sollte zur Sicherheit der Rat eines Tierarztes eingeholt werden.
Weiterlesen: Cushing – Jedes vierte Pferd über 15 ist betroffen
Die Fütteurng
Man sollte auf keinen Fall zu plötzlich die Ernährung des Pferdes umstellen. Ein Wechsel von einem Tag auf den anderen von 100 % Raufutter zu Kraftfutter (oder andersherum) ist nicht ratsam. Bei einem so abrupten Wechsel hat die Darmflora keine Zeit, sich an die ungewohnte Nahrung anzupassen, dies führt unter Umständen zu Durchfall, die Leber kommt nicht mehr hinterher, was wiederum zu Koliken, zu Hufrehe, oder zu einer durch Lebensmittel verursachten Blutvergiftung führen kann [6]. Es wird empfohlen, das Futter in einem Zeitraum von 8 bis 10 Tagen umzustellen. Das entspricht der Zeit, die die Enzyme und Mikroben der Darmflora zur Anpassung an das neue Futter benötigen.
Noch ein paar Tipps: Es empfiehlt sich, mehrmals am Tag zu füttern (Raufutter und Kraftfutter), und das auch bei übergewichtigen Pferden. Das entspricht eher ihrer natürlichen Nahrungsaufnahme. Das können bspw. 6 Mahlzeiten sein, davon 3 Kraftfutter und 3 Raufutter. Bei Kraftfutter sollte man darauf achten, seine Menge und Zusammenstellung so wenig wie möglich zu variieren, damit die Darmflora sich stabilisieren kann. Es ist also nicht empfehlenswert bei einer Fütterung nur Gerste, bei der nächsten Hafer und dann Pellets zu füttern.
Weiterlesen: Die 3 häufigsten Fehler bei der Fütterung
Weiterlesen: Hafer – Reb Bull fürs Pferd?
Heu und Stroh
Was also tun, wenn das Pferd zu dick ist? Oft ist die Ursache für einen zu dicken Bauch beim Pferd, dass sie das Stroh auf dem Stallboden fressen. Daher sollte man Späne als Einstreu verwenden und hochwertiges Heu füttern.
Bei einem stark übergewichtigen Pferd kann auch einfach nur Heu gefüttert werden, das schadet dem Pferd kein bisschen.
Bewegung
Bei Pferden, die gut in Form sind, mit denen aber nicht jeden Tag gearbeitet wird (dies ist z. B. bei Dressurpferden oft der Fall, sie werden ausgiebig, aber nur 3 Mal pro Woche trainiert), kann das Training einfach intensiver gestaltet werden. Das ist bei uns Menschen ja nicht anders: Um nach den Feiertagen die Rettungsringe loszuwerden, gehen wir joggen!
Achte dennoch darauf, dein Pferd nicht zu überfordern, besonders, wenn es viel körperliche Arbeit nicht gewohnt ist.
Weiterlesen: Wie Ausdauertraining beim Pferd wirklich funktioniert
Ein kleiner „energetischer” Exkurs
Nehmen wir also an, ein Pferd wiegt 550 kg und wird 1 Stunde pro Tag gearbeitet. Es würde also 13.200 kcal benötigen, das entspricht 55,2 Megajoule und einer Menge von 5 kg Heu (5,2 MJ/kg) + 3,5-4 kg Pellets (je nach Sorte 7–8 MJ/kg). Es ist wichtig, eine Idee dafür zu bekommen, wie viel Pferde überhaupt jeden Tag fressen. Bei Pellets ist besondere Vorsicht geboten, da hier der Kaloriengehalt je nach Sorte stark variieren kann.
4. Mein Pferd ist zu dünn
Ist das Pferd zu dünn, bleibt die Vorgehensweise erstmal die gleiche: die Ursache für das Problem muss gefunden werden. Die häufigsten 3 Ursachen für einen Gewichtsverlust beim Pferd sind:
- Entwurmung
- Zahnprobleme
- Magengeschwüre
In allen 3 Fällen sollte ein Tierarzt zurate gezogen werden.
Mehr dazu: So läuft die Entwurmung richtig ab
Um das Pferd wieder aufzupäppeln, kann Futter mit erhöhtem Fett- und dementsprechend Energiegehalt gegeben werden. Dafür eignet sich z. B. Öl. Der Vorteil von Fetten ist, dass sie nicht die Entstehung von Hufrehe begünstigen, wie es bspw. bei zu viel Stärke der Fall ist. Man kann dem Futter einfach 2 Mal täglich etwa 100–120 ml gemischtem Pflanzenöl beimischen.
Außerdem kannst du die Heuration erhöhen und es jederzeit zum Fressen bereitstellen. Auch Probiotika sind gut geeignet, da sie zu einer gesunden Darmflora beitragen.
Und nicht vergessen, die Futterrationen wieder herunterzufahren, sobald das gewünschte Gewicht erreicht wurde, ansonsten nimmt das Pferd immer weiter zu.
Alle Infos zum Übergewicht beim Pferd in 1 Minute
Und wie sieht’s mit deinem Pferd aus?
Bis zum nächsten Artikel
Camille Saute
Philippe Benoit
Marine Slove
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