Die 4 größten Irrglauben zur Wurmkur beim Pferd
Du denkst, dass du bereits alles über die Wurmkur beim Pferd weißt? Doch was davon stimmt wirklich und was sagt die Wissenschaft dazu? Unsere Tierärztin Marine klärt auf.
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1. „Jedes Pferd sollte entwurmt werden.”
FALSCH! ❌
Keine Panik, wenn du ein Ei oder einen einsamen Wurm in den Pferdeäpfeln findest: Pferde beherbergen von Natur aus Würmer in ihrem Verdauungstrakt. Das Ganze wird erst dann zum Problem, wenn zwei wesentliche Faktoren aus dem Gleichgewicht geraten:
- Die Quantität, d.h. die Menge der Parasiten – scheint logisch.
- Die Qualität, d.h. die Art der Parasiten – hier wird das Ganze ein wenig komplizierter.
Es gibt zwei Arten von Parasiten: die „guten Parasiten”, die anfällig für Wurmkuren und einfach zu vernichten sind und die „bösen Parasiten”, die resistent gegen jegliche chemische Substanzen sind und somit der Wurmkur erfolgreich trotzen. Die Entstehung dieser zwei Arten lässt sich anhand der biologischen Anpassungstheorie erklären. Jedes Mal, wenn wir unserem Pferd eine Wurmkur geben, findet eine „Auswahl” statt. Es herrscht das Gesetz des Stärkeren: man tötet die Schwächsten ab (die „guten Parasiten”) und nur die Resistenten (die „bösen” Parasiten) überleben. Nach und nach rotten wir also die „guten Parasiten” aus bis nur noch die „bösen” Parasiten übrig bleiben, die sich wiederum untereinander vermehren und neue resistente Parasiten entstehen lassen.
Was also tun? Wurmkur oder keine Wurmkur?
Eine Wurmkur ist ratsam, aber nicht einfach irgendwie. Das Pferd sollte dabei nicht zu häufig entwurmt werden, um einer Überbevölkerung von „bösen Parasiten” entgegenzuwirken.
Die Wunderlösung für ein gesundes Gleichgewicht nennt sich selektives Entwurmen. Beim selektiven Entwurmen wird ein Pferd, das „gute Parasite”, die anfällig für Wurmkuren sind, beherbergt, gar nicht oder kaum behandelt. Ja, du hast richtig gehört. Es gibt Pferde, die sehr selten oder gar nicht entwurmt werden müssen!
Jetzt fragst du dich sicher, woher du denn wissen kannst, wann du dein Pferd entwurmen solltest? Ganz einfach mittels einer Kotuntersuchung, bei der der Pferdekot im Labor auf Parasiteneier untersucht wird. Wenn der Kot deines (ausgewachsenen) Pferdes weniger als 200 Parasiteneier (EpG) pro Gramm Kot aufweist, dann braucht es keine Wurmkur. Die „bösen Parasiten” sind nicht in der Überzahl und die „guten Parasiten” bleiben somit weiterhin erhalten, was zudem das biologische Überleben der Spezies Pferd sichert. Die Zukunft der Wurmkur nennt sich also selektive Entwurmung. Sie ist für alle Pferde, außer Fohlen und Jährlinge geeignet, bei denen besser auf eine strategische Wurmkur zurückgegriffen wird.
2. „Pferde auf der Weide sollten häufiger entwurmt werden.”
FALSCH! ❌
Wir gehen häufig davon aus, dass Pferde die auf der Weide leben, mehr Parasiten beherbergen und daher häufiger entwurmt werden müssen, als Pferde in der Box oder im Paddock. Das stimmt so nicht, da es vor allem auf das Umfeld ankommt. Ein Pferd, das auf einer großen Weide lebt und gut gepflegt wird, weist womöglich weniger Parasiten auf als ein Pferd, das in einer Box lebt und für den täglichen Weidegang den Paddock, in dem die Pferdeäpfel nicht regelmäßig entfernt werden, mit anderen Pferden teilt.
Für die meisten europäischen Regionen wird empfohlen, sein Pferd 2 Mal pro Jahr zu entwurmen. Es gibt jedoch keine allgemeingültige Regel (wie immer in der Biologie) und die Notwendigkeit einer Wurmkur sollte je nach Anfälligkeit und Parasitenfund an das Pferd angepasst werden.
Achtung! Das systematische Entwurmen 4 bis 6 Mal im Jahr mit einer nicht angepassten Dosis (zu viel oder zu wenig), mitten im Winter sowie die Entwurmung nach dem „Dose and Move”-Prinzip, d. h. das Entwurmen aller Pferde und der Transfer auf eine neue, saubere Weide, sorgen für eine zusätzliche Resistenzsteigerung der Parasiten und sind daher zu meiden.
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3. „Wurmkuren sind das einzige Heilmittel gegen Parasiten.”
FALSCH! ❌
Die richtige Pflege kann einer Verbreitung und Einnistung von Parasiten auf Weiden vorbeugen. Im Tierarzt-Jargon nennt man das „hygienische Behandlung”. Dabei solltest du auf folgende Aspekte achten:
- Vermeide eine Überweidung (1 Pferd pro Hektar) und sorge für ein wöchentliches Entfernen der Pferdeäpfel (sehr effizient, aber mühsam) und ein regelmäßiges Wechseln der Weide.
- Praktiziere alternatives oder gemischtes Weiden mit Wiederkäuern, wie z.B. Schafen, die tiefer grasen als Pferde und somit die befallenen Larven entfernen (danke Mutter Natur!)
- Profitiere in naher Zukunft von biologische Kontrollen, deren Ziel es ist, die Larven auf der Weide zu vernichten. Wir träumen bereits davon, auch wenn sich diese Strategie noch in der Experimentierphase befindet.
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4. „Parasiten können meinem Pferd nicht viel anhaben.”
FALSCH! ❌
Wir halten Parasitenbefall für eine banale Krankheit, die keine ernsthaften Konsequenzen für unser Pferd hat. Tierärzte haben jedoch nur allzu häufig Fälle, bei denen die Parasitose unheilbar ist, vor allem dann, wenn das Pferd von „bösen Parasiten” befallen ist, die durch Wurmkuren nicht abgetötet werden können. Einige sehr aggressive Erreger (Strongylus vulgaris) können in die Adern des Pferdes eindringen und diese verstopfen oder den Verdauungstrakt befallen und Koliken mit starkem Wurmbefall auslösen. Andere, wie die Larven des Genus Cyathostoma, können eine Vielzahl von klinischen Symptomen aufweisen (Durchfall, Koliken) und zum Tod führen (Sterblichkeitsrate von bis zu 50%). Hier nur einige Beispiele, die zeigen, dass die Resistenz von Wurmkuren schwerwiegende Folgen haben kann.
Abschließend kann man sagen, dass viele der Irrglauben nur bedingt stimmen. Wurmkuren sind nicht in allen Fällen gut, sondern sollten selektiv und an das Pferd angepasst sein. Du solltest dich also am besten einmal mit der Kotprobe vertraut machen (sehr lecker) und deinen Tierarzt zu diesem Thema befragen. Dein Tierarzt kann dir Tipps geben, wie du dein Pferd gesund und vor allem parasitenfrei halten kannst!
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Marine Slove
Tierärztin und Produktentwicklerin bei Equisense