6 Fakten zum Atmungssystem des Pferdes
Sie ist Tierärztin und hat das Vertrauen international erfolgreicher Reiter: Emmanuelle Van Erck. In diesem Artikel erklärt sie alles, was man über das Atmungssystem des Pferdes wissen sollte.
Table des matières
- #1 – Die Lungen des Pferdes sind im Verhältnis genauso groß wie unsere
- #2 – Die Atemfrequenz des Pferdes im Ruhezustand ist der des Menschen ähnlich
- #3 – 60 % der eingeatmeten Luft werden nicht verwertet 😱
- #4 – Pferde können nicht durch den Mund atmen🤐
- #5 – Die Atemfrequenz hängt von der Frequenz der Galoppsprünge ab
- #6 – Die Atemkapazität des Pferdes lässt sich nicht verbessern 🏃♂️
- 3 Dinge, die dem Atmungssystems des Pferdes schaden können
#1 – Die Lungen des Pferdes sind im Verhältnis genauso groß wie unsere
Die Lungen des Pferdes mögen groß zu sein scheinen, sind aber im Verhältnis genauso groß wie die des Menschen. Eine durchschnittliche Pferdelunge wiegt etwa 7 kg und macht damit ungefähr 1,5 % des gesamten Körpergewichts aus. Beim Menschen wiegt die Lunge etwa 850 g und macht einen in etwa den gleichen Prozentanteil des Körpergewichts aus. Die Pferdelunge hat ein Volumen von circa 50 Litern, die des Menschen nur zwischen 6 und 7.
Allerdings weist die Lunge des Pferdes 50 Mal mehr Lungenbläschen auf als unsere!
Es ist wirklich beeindruckend (wenn auch etwas eklig), zuzusehen, wie sie sich aufbläht:
Verglichen mit Kühen haben Pferde tatsächlich ein großes Lungenvolumen. Es ist 1,6 Mal größer, was eine Menge ist, wenn man bedenkt, dass die beiden Tiere annähernd die gleiche Masse haben.
#2 – Die Atemfrequenz des Pferdes im Ruhezustand ist der des Menschen ähnlich
Die Atemfrequenz in Ruhe liegt zwischen 8 und 15 Atemzügen pro Minute. Allerdings transportiert das Pferd innerhalb einer Minute 12 Mal mehr Luft in seine Lungen als der Mensch: 66 L/min für das Pferd vs. 5,4 L/min beim Menschen.
Setzt man dies in Zusammenhang mit dem Körpergewicht, bedeutet dies, dass die Belüftung 1,5 Mal so stark ist wie bei uns.
#3 – 60 % der eingeatmeten Luft werden nicht verwertet 😱
Ganz vereinfacht bedeutet dies, dass 60 % der Luft, die das Pferd einatmet, nicht mit den Lungenbläschen in Kontakt kommt. Somit findet kein Gasaustausch statt. Diese Luft nützt dem Pferd also quasi nichts. Das ist eine ganze Menge!
Beim Menschen liegt dieser Wert bei 30 %.
#4 – Pferde können nicht durch den Mund atmen🤐
Tatsächlich können Pferde durch den Mund weder ein- noch ausatmen. Ursache dafür ist die Länge und Beweglichkeit ihres Gaumensegel. Dieses befindet sich hinten am Gaumen, wo er sich etwas weicher anfühlt. Beim Menschen liegt dort das Zäpfchen. Beim Pferd ist dieses Gaumensegel jedoch wesentlich länger, er hängt bis zum Grund des Kehldeckels herab. Dadurch behindert es den Kontakt zwischen der Nase und der Speiseröhre.
Pferde können also nur durch die Nase atmen. Zusätzlich sind ihre Nüstern auch noch relativ klein und ihre Atemwege recht schmal. Daher unterscheidet sich die Atmung bei Pferden bereits in Ruhe von der des Menschen.
#5 – Die Atemfrequenz hängt von der Frequenz der Galoppsprünge ab
Wenn man genau lauscht, kann man hören, dass das Pferd im Galopp immer genau dann ausatmet, wenn sein letztes Hinterbein abfußt.
Das hängt damit zusammen, dass das Pferd in diesem Moment „das Hinterteil anhebt und den Kopf senkt”. Dabei bewegen sich seine Eingeweide nach vorne und drücken gegen das Zwerchfell, welches wiederum auf die Lunge drückt und somit ein Ausatmen herbeiführt.
Stell dir vor, du könntest beim Laufen den Rhythmus deiner Atmung nicht selbst kontrollieren! Genau dieses „Problem” hat das Pferd nämlich.
Es kann bei zu großer körperlicher Anstrengung zu einer sog. Hypoxie, also Sauerstoffmangel kommen.
Fun Fact:
Trotz dieses kleinen Handicaps ist das Pferd ein bemerkenswerter Sportler. Denn es hat einen Trick auf Lager 🧙🏻♂️ !
Da die oben beschriebene Funktionsweise der Lungen zu einem Sauerstoffmangel führen könnte, hat das Pferd einen Mechanismus entwickelt, der dem entgegenwirkt: die Kontraktion der Milz. Diese wird durch die Ausschüttung von Adrenalin ausgelöst.
Die Milz schüttet daraufhin alle roten Blutkörperchen aus, die sie gespeichert hat. Sie versorgen die Muskeln mit Sauerstoff, damit diese weiterhin Arbeit verrichten können.
Der Hämatokrit, also der prozentuale Anteil an roten Blutkörperchen zum Gesamtvolumen des Blutes, steigt dadurch von 30–40 % auf 60–70 % an!
Pferde haben also weder Höhentraining noch Doping mit EPO nötig (anders als manch menschlicher Sportler 🙄).
#6 – Die Atemkapazität des Pferdes lässt sich nicht verbessern 🏃♂️
„Viele Pferdebesitzer gehen davon aus, dass das Training das Lungenvolumen des Pferdes erhöht, da es nach dem Laufen mit der Zeit weniger schwer zu atmen scheinen. Diese Beobachtung ist zwar richtig, hängt jedoch nicht mit dem Lungensystem zusammen, sondern mit der Entwicklung des aeroben Stoffwechsels, der Thermoregulation und des Herzkreislaufsystems.”
Scheint dein Pferd also fitter geworden zu sein und keucht nach dem gestreckten Galopp über das Stoppelfeld nicht mehr so, dann liegt das dennoch nicht daran, dass an seinem Atmungssystem etwas getan hätte.
3 Dinge, die dem Atmungssystems des Pferdes schaden können
Wird dein Pferd in der Box gehalten? Dann kann hier bereits das erste Problem liegen. Denn in der Box ist die Luft einfach nicht so gut wie draußen. Im Stall ist die Luft durch Heu und Stroh voller Staub, Schimmelpilzen und Bakterien. Ganz zu schweigen von den Pferdeäpfeln, den Bakterien, die diese zersetzen, und den Ammoniak-Dämpfen des Urins. Ein staubiger Reitplatz ist dann noch das i-Tüpfelchen.
Die Tierärztin Dr. Emmanuelle Van Erck erklärt, wie man die Pferdehaltung so „lungenfreundlich” wie möglich gestalten kann.
1) Richtiges Lüften
Betritt man den Stall und hat sofort einen starken Geruch in der Nase, dann kann man davon ausgehen, dass die Box nicht ausreichend belüftet ist. Ein Fenster ist ein guter Anfang, aber ein Fenster an der Wand in Kombination mit einem Dachfenster ist noch viel besser. So kann die Luft zirkulieren, ohne dass Zugluft entsteht.
Achtung: ein Fenster in Richtung des Misthaufens führt zwangsläufig zu einer Überdosis Ammoniak!
2) Schluss mit Staub
Die Einstreu sollte nicht stauben und die Box sollte unbedingt regelmäßig komplett geleert, desinfiziert und von Spinnweben befreit werden. Bei der Säuberung der Stallungen sollte auf keinen Fall ein Laubbläser zum Einsatz kommen! Vor dem Kehren sollte der Boden genässt werden, damit nicht so viel Staub aufgewirbelt wird.
Es ist wichtig zu wissen, dass die Staubpartikel noch lange nach Säuberungsaktionen in der Luft bleiben, auch wenn diese natürlich nicht sichtbar sind. Die Pferde bzw. ihre Lungen sind ihnen also über mehrere Stunden hinweg ausgesetzt.3) Heu und Stroh sollten außerhalb der Stallungen gelagert werden
Das Futter sollte so weit wie möglich entfernt von den Pferdeboxen gelagert werden. Es steckt nämlich von Natur aus voller Schimmelpilze, die nur eines im Sinn haben: sich vermehren! Und das können sie am besten, wenn es warm und feucht ist. Da Stroh und Heu Feuchtigkeit gut absorbieren und Pferde sowohl Wasser als auch Wärme produzieren, ist es nicht ratsam, das Futter nahe der Pferde aufzubewahren. Die Schimmelpilze, die übrigens alles andere als gut für die Lunge des Pferdes ist, können sich sonst nämlich optimal vermehren.
Es ist übrigens nicht selten, dass ein Pferd Lungenprobleme hat, ohne dabei Symptome wie Husten oder Ausfluss aus den Nüstern zeigen zu müssen. Sie können sich auch einfach an einer schnelleren Ermüdung bei körperlicher Anstrengung bemerkbar machen.
Mehr zum Thema: Alles zum Lungenemphysem
Fazit
Die Lungen sind ein äußerst wichtiges Organ des Pferdes, daher sollte man die Haltung so anpassen, dass sie keinen Schaden nehmen.
Bis zum nächsten Artikel
Camille Saute
R&D-Managerin bei Equisense
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