Warum haben Stuten eine Rosse und keine Regel?
Der Frühling ist bereits in vollem Gange. Das heißt, die Stuten werden rossig und Verhaltensmuster, die man vom Winter so nicht unbedingt kennt, kehren zurück. Die ein oder andere Stute kann schon mal etwas zickig werden. Bestimmt hast du dir bereits die Frage gestellt, was es mit der Rosse aus biologischer Sicht eigentlich auf sich hat. Warum haben Stuten im Gegensatz zu Frauen keine Menstruation? Wirkt sich die Rosse wirklich auf das Verhalten der Stute aus? Und wieso tritt die Periode nicht das ganze Jahr über auf?
Ach ja, die Wunder der Natur! Nachdem du diesen Artikel gelesen hast, sind hoffentlich alle deine Fragen geklärt.
Table des matières
Haben Stuten einen Zyklus, genau wie Frauen?
Ja, sie haben tatsächlich einen Zyklus. Dieser unterscheidet sich allerdings in einem wesentlichen Punkt von dem des Menschen: Die Ovulation (Eisprung) der Stute folgt einem saisonalen Zyklus, d. h. die Rosse findet nur während einer bestimmten Zeit des Jahres, nämlich etwa von April bis Oktober, statt. Von dieser Regel gibt es aber selbstverständlich Ausnahmen, wie immer in der Natur. Während dieser Fortpflanzungszeit gibt es wiederum Brunstphasen, während denen die Stute rossig wird, d. h. den Hengst akzeptiert. Während der Diöstrus, oder Zwischenbrunst, lehnt sie die Paarung ab. Der Eisprung findet während der Brunst statt. Ein Zyklus entspricht der Zeit zwischen 2 Eisprüngen und dauert im Regelfall etwa 21 oder 22 Tage, im Ausnahmefall jedoch auch 18 bis 24 Tage. Die Länge der Brunst, die normalerweise ungefähr 4 bis 7 oder sogar zwischen 2 und 15 Tagen dauert, ist für die variierende Länge des Zyklus verantwortlich.
Im Gegensatz dazu haben Frauen, das sollte jedoch nichts Neues sein, einen ganzjährigen Zyklus, unabhängig von der Jahreszeit und von einer Dauer von 28 Tagen. Aber auch hier gibt es Zyklen abweichender Dauer von 23 bis 35 Tagen.
💡 1 Minute Evolutionstheorie mit Darwin
Die ununterbrochene Fruchtbarkeit der menschlichen Rasse ist ein evolutionärer Vorteil, der das Überleben unserer Spezies sicherstellen soll. Menschliche Säuglinge sind bei der Geburt im Gegensatz zu den meisten anderen Säugetieren nicht alleine überlebensfähig: Sie sind über mehrere Monate hinweg auf ihre Mutter angewiesen. Außerdem empfangen Menschen in der Regel nur ein Kind auf einmal. Daher ist es notwendig, jeden Monat zur Fortpflanzung bereit zu sein. Vielleicht ist dies der Grund dafür, dass die menschliche Rasse selbst Perioden überlebt hat, in denen die Säuglings- und Kindersterblichkeitsraten extrem hoch waren.
Wie läuft der Zyklus ab?
Der Sexualzyklus besteht aus 2 Hauptphasen:
Phase 1: Die Follikelphase
Während dieser Phase reifen einige wenige Eizellen (im Endstadium der Eizellenproduktion) in den Eierstöcken (Ovarien) heran, und zwar in einer kleinen Hülle, der Follikel. Die Phase der Brunst, die zwischen 4 und 7 Tagen dauert, hat also begonnen. Die Stute akzeptiert den Hengst und ihr Fortpflanzungsapparat ist bereit für die Befruchtung.
Genau zu dieser Zeit sind die typischen Verhaltensmuster der Rosse zu beobachten:
- breit gestellte Hinterbeine
- gehobener Schweif
- angeschwollene Schamlippen
- schleimender, „blitzender” Kitzler
Der Unterschied zur Frau ist, dass die Periode länger andauert und es keine sichtbaren Anzeichen gibt: Sie beginnt mit dem ersten Tag der Regel und dauert durchschnittlich 14 Tage. Sobald die Follikelreifung abgeschlossen ist, wird eine der Eizellen von der Follikel in den Eileiter abgestoßen: Dabei handelt es sich um den Eisprung der Stute, der an Tag 3 oder 5 stattfindet (bei der Frau an Tag 14).
Phase 2: Luteolyse
Diese Phase entspricht bei der Stute dem Diöstrus oder Zwischenbrunst: sie lehnt die Paarung ab und ihr Fortpflanzungsapparat ist nicht bereit für die Befruchtung, dafür jedoch für die Entwicklung eines eventuellen Embryos. Die Zwischenbrunst dauert etwa 14 bis 15 Tage, wie bei uns auch. Während dieser zweiten Phase bewirkt die Hypophyse (Hirnanhangdrüse), dass die Eierstöcke Hormone produzieren, die es der Gebärmutterschleimhaut (Innenwand der Gebärmutter) ermöglichen, einen potenziellen Embryo zu empfangen. In diesem Zeitraum zeigt die Stute für gewöhnlich keine besonderen Verhaltensmuster (wenn sie also zickig oder stur ist, ist das diesmal nicht auf ihren Zyklus zu schieben 😄).
Welche Rolle spielen die Hormone?
Der gesamte Zyklus wird durch Hormone gesteuert. Für einen regelmäßigen Zyklus ist ein hormonelles Gleichgewicht entscheidend. Dazu tragen das Gehirn, die Eierstöcke und der Uterus bei.
Das Ganze ist ziemlich komplex (selbst wenn man in der 5. Klasse in der berüchtigten „Aufklärung“ im Biologieunterricht kein Wort verpasst hat 🙃). Daher an dieser Stelle 2 Abbildungen, die Klarheit schaffen sollen:
Also beeinflussen wirklich all diese Hormone unser Verhalten und auch das unserer Pferde? Ja, so ist es. Über das genaue Ausmaß ihrer Auswirkungen ist man sich jedoch nicht einig, daher werden wir an dieser Stelle nicht weiter darauf eingehen.
Also entspricht die Rosse meiner Stute nicht der Regel der Frau?
Genau, das ist überhaupt nicht das gleiche.
Die Rosse des Pferdes betrifft den Östrus, also die Follikelphase der Eierstöcke. Damit gehen bestimmte Verhaltensmuster der Stute einher, die dem Hengst signalisieren sollen, dass sie zur Befruchtung bereit ist. Bei der Frau sind während des Eisprungs keine Anzeichen sichtbar (das wäre ja auch total seltsam 😂).
Auch wenn es bei der Frau eine Follikelphase gibt, kann man nicht von Brunst sprechen. Die von den Eierstöcken produzierten Hormone bereiten den Eisprung vor und bauen die Gebärmutterschleimhaut auf. Kommt es nicht zu einer Befruchtung, stirbt die Eizelle innerhalb eines Tages ab. Die Hormonproduktion der Eierstöcke dauert jedoch noch 14 Tage an, bevor sie nicht mehr abgesondert werden und die Gebärmutterschleimhaut wird abgestoßen: es kommt zur Regel bzw. Menstruation.
Die Stute hat keine Periode, weil ihre Gebärmutterschleimhaut keinen Zyklus hat: Sie baut sich nicht zur Vorbereitung auf eine mögliche Befruchtung auf, sondern sie baut sich nur auf, wenn es tatsächlich zu einer Befruchtung gekommen ist. Die meisten Säugetiere haben, genau wie das Pferd, keine Menstruation. Wir Menschen sind also die Ausnahme! Lediglich einige Primaten (Menschenaffen), das graugesichtige Rüsselhündchen und Fledertiere, fühle in dieser Hinsicht mit uns.
Zum besseren Verständnis hier zusammengefasst der Zyklus der Eierstöcke, Hormone und Menstruation:
💡 1 Minute Evolutionstheorie mit Darwin
Die Regel ist für den Körper eigentlich nicht effizient. Wieso haben wir Menschen also überhaupt eine Menstruation? Evolutionsforscher haben im Laufe der Geschichte mehrere Thesen aufgestellt. Im Jahr 2011 [D. Emera et al.] jedoch kam dank einer Studie eine sehr interessante Theorie zustande: Es handle sich um einen Konflikt zwischen Mutter und Fötus. Sie haben eine gegensätzliche Beziehung: Diese Theorie besagt, es sei für die Mutter am wichtigsten, die Schwangerschaft zu überleben, damit sie noch weitere Kinder bekommen kann. Der Fötus hingegen beansprucht den Körper seiner Mutter und schadet ihr manchmal sogar. Die Menstruation dient also als eine Art Selbstverteidigungsmechanismus: die Frau bildet die Gebärmutterschleimhaut auf, um sich vor dem Embryo, der sie schwächt, zu schützen und sich von diesem abzugrenzen. Da menschliche Embryonen besonders invasiv sind, wäre es zu spät, die Implantation abzuwarten, dieser Mechanismus hat also präventive Zwecke.
Und es geht noch weiter: Dieser Mechanismus würde es uns sogar ermöglichen, die überlebensfähigen Individuen zu selektionieren. Die Gebärmutterschleimhaut erlaube es uns demnach, Auffälligkeiten der Chromosomen aufzuspüren und somit gegebenenfalls Fehlgeburten zu verhindern. Es scheint ganz so, als habe Mutter Natur einiges auf Lager!👌🏼
Aber wie ist es möglich, dass der Zyklus meiner Stute im Winter aufhört?
Wie wir bereits festgestellt haben, ist Mutter Natur voller Überraschungen. Die Länge des lichten Tages, die sog. Fotoperiode, wirkt auf die Netzhaut und somit auf den Zyklus. Verantwortlich dafür ist die Zirbeldrüse im Gehirn. Man ist sich noch nicht ganz einig über die genauen Prozesse, aber man weiß zumindest, dass sie für die Ausschüttung von Melatonin verantwortlich ist. Dieses Hormon wird oft bei Schlafproblemen oder bei der Zeitumstellung verabreicht und reguliert außerdem für die Ausschüttung der Sexualhormone.
Hier ein Schema zur Veranschaulichung:
Möchte man, dass das Fohlen schon vorm Frühjahr geboren wird, was in der Rennpferdezucht oft der Fall ist, wird oft ein spezielles Lichtprogramm installiert, mit dessen Hilfe die Fotoperiode des Frühlings imitiert und somit der Zyklus der Stute künstlich beeinflusst wird.
Ich hoffe, das Thema dieses Artikels ist für dich genauso interessant gewesen wie für mich!
Bis bald! 😃
Marine Slove,
Tierärztin und Produktmanagerin bei Equisense
👍🏻👎🏻 Du würdest uns gerne dein Feedback zu unseren Blog-Artikeln geben? Du hast einbestimmtes Thema im Kopf, das dich schon länger beschäftigt ? ==> Sag uns Deine Meinung 👍🏻👎🏻
Lust, weiterzulesen?
10 Prinzipien aus der Verhaltensforschung, die jeder Reiter kennen sollte
Wie wirkt sich mein Training auf die Muskeln meines Pferdes aus?
Macht Hafer unsere Pferde wirklich heiß?
Quellen:
-
T. Blanchard, D. Varner, J. Schumacher, C. Love, S. Brinsko, S. Rigby, “Manuel de reproduction équine”, édition Maloine, 2005.
-
M. Winckler, “Tout ce que vous vouliez savoir sur les règles… sans jamais avoir osé le demander”, éditions Fleurus, collection “La santé en questions”, 2008.
-
D. Emera, R. Romero, G. Wagner G, “The evolution of menstruation: A new model for genetic assimilation”, Bioessays. 2012 Jan; 34(1): 26–35.
-
A. Margat, „La fertilité de la jument“, Equipaedia, 2017. [En ligne]. Disponible sur : Equipaedia [Letzter Zugriff: 16. April 2018].
-
ehorses. d.-E. führender Pferdemarkt, “Rossigkeit: Die Rosse bei Stuten.” [Online]. Verfügbar: https://magazin.ehorses.de/rossigkeit-rosse-stute/. [Letzter Zugriff: 27. April 2018].
-
“Der Sexualzyklus der Stute und seine hormonelle Steuerung.” [Online]. Verfügbar: https://www.tierklinik.de/medizin/gynaekologie/sexualzyklus/sexualzyklus-der-pferde. [Letzter Zugriff: 27. April 2018].
Hallo
Dieser Artikel ist sehr spannend. Schade nur dass der Zyklus der Frau so ungenau dargestellt wird. 28 Tage haben vielleicht knapp die hälfte aller Frauen… aus eigener erfahrung weiss ich dass er sogar länger als 35 Tage dauern kann und trotzdem „normal“ verläuft! Die Zeit vor dem Eisprung kann sehr varieren. Die Zeit danach ist konstanter und „normalerweise“ 10 bis 14 Tage, kann aber auch 16 oder sogar 18 Tage dauern.
Liebe Grüsse
Nadia
Hallo Nadia,
danke für deinen Kommentar! Da hast du natürlich vollkommen recht. Wir beziehen uns hier einfach auf die schematische Darstellung des Zyklus von Lehrbüchern. Im wirklichen Leben sieht das natürlich wieder anders aus 🙂 Keine Frage! Ich hoffe, dass an dem Beispiel dennoch der Zyklus der Stute deutlich und verständlich wird.